Blogs gelten als etwas sehr schnelllebiges. Die Aktualität ist das bestimmende Element. Oder gibt es tatsächlich User, die in den Blog-Archiven wühlen und alte Beiträge lesen? Im Gegensatz zu einem Magazin, in dem die Beiträge immer »oben« sind, lebt ein Blog natürlich auch von seinen Kommentaren.
Beides: Kommentare und Aktualität wird es bei dem Blog »nebenbei bemerkt« nicht mehr geben. Denn leider ist der Autor, Roger Beathacker aka Kurt, im Dezember 2009 im Alter von nur 53 Jahren viel zu früh verstorben. Auch ich kannte ihn, wie so viele Blogger, nicht persönlich, dennoch haben mich seine Texte oft tief inspiriert und berührt. Ich habe mal in seinem Archiv gekramt und möchte euch zwei Texte von ihm vorstellen. Denn nach wie vor ist sein Blog erreichbar.
Den ersten Artikel, den ich euch vorstellen möchte, ist die Analyse einer Anne Will Sendung vom 30. Mai 2008. Die Sendung steht exemplarisch für all die anderen halbgaren und verlogenen Polit-Talk´s im Fernsehen. Thema der Sendung: »Hungern muss hier keiner — Ein Land redet sich arm«:
Sie können nicht einsehen, dass ihr credo, durch Arbeit sei Armut vermeidbar und sich einstellender allgemeiner Wohlstand unvermeidlich, falsch ist, denn die Arbeit der Armen schafft erst den Wohlstand der Reichen und nur diesen — und ab einem bestimmten Punkt kann dergestalt konzentrierter Reichtum nur wachsen, wenn auch die allgemeine Armut wächst.
- Roger Beathacker
Der zweite Beitrag vom 11. Juni 2008, den ich euch empfehlen möchte, dreht sich um das Thema Eigentum, Geld und Freiheit. Ein etwas längeres Pamphlet, aber sehr lesenswert:
In einer komplexen zivilisierten Gesellschaft mit hochgradig differenzierter, funktionaler Arbeitsteilung mag schnell der Eindruck entstehen, es gäbe sehr große Unterschiede hinsichtlich des individuellen Leistungsvermögens der jeweiligen Mitglieder [...]
Dieser Eindruck täuscht jedoch, denn die gravierenden Missverhältnisse liegen im Wesentlichen eben nicht in einem enormen Gefälle hinsichtlich des »angeborenen« Leistungsvermögens einzelner Menschen, sondern zum größten Teil in den gesellschaftlich bedingten Differenzen der jeweils von den Individuen vorgefundenen Ausgangslagen.
- Roger Beathacker
Ich halte mich mit solchen Lobeshymnen gerne zurück. Aber die Zitate zeigen doch eindeutig, dass Kurt ein ganz Großer war. Ein scharfer Analytiker — der fehlt uns in unserer kleinen Bloggerwelt manchmal; d.h. wir haben welche, aber keinen, die philosophisch so bewandert ist, wie Kurt es war.
Da schließ ich mich Roberto an. Ich habe leider nur sehr selten zu seinen Lebzeiten in Roger Beathackers blog geschaut. Im Nachhinein, bereue ich dies sehr. Aber für mich sind blogs nichts schnelllebiges. In vielen Fällen sogar, — und ganz speziell in seinem, — etwas sehr langlebiges. Wo es sich immer mehr als lohnt, auch Rückschau nach vorne zu halten. Ehre, — wem Ehre gebührt.