Ich erhalte monatlich von der Barmer-Krankenversicherung ein Mitglieder-Blättchen mit dem Titel »Gesundheit konkret«. In der Ausgabe 1/2012 war das Thema »Burnout« das Titelthema des Heftes. Der Artikel wehrt sich gegen das Modewort Burnout, infolge einer Überarbeitung am Lohnarbeitsplatz und stellt die These auf, dass Burnout meist nur eine Depression sei:
»Ein Großteil der Menschen, die wegen Burnout eine Auszeit nehmen, leidet de facto an einer depressiven Erkrankung«
- Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Universität Leipzig
Dies mag auch durchaus zu treffen, der Artikel stellt eine Lohnarbeits-Erschöpfung jedoch grundsätzlich in Frage. Schuld sei letztlich immer der Einzelne:
»Die Schuld am Ausbrennen wird anderen oder der eigenen Leistungsbereitschaft zugeschoben [...] Ursache sind jedoch vielfach nicht bewältigte Dinge aus anderen Lebensbereichen«
- Gesundheit konkret, Barmer-Mitglieder-Zeitung, Januar 2012, S. 14
Mit »anderen Lebensbereichen« wird die Lohnarbeitswelt als Ursache negiert und das private Leben als allein ursächlich angesehen. Stress, Mobbing, Leistungsdruck, Ausbeutung, Überstunden, Pendel-Fahrten, Schichtdienste, Akkord-Arbeit, prekäre Lohnarbeit usw. machen Menschen nicht krank. Sie sollen mal lieber eigenverantwortlicher handeln, Sport treiben usw., so der Tenor des Artikels.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat 2011 eine Studie mit dem Titel »Die Erfassung von Mobbing« veröffentlicht. In dieser wird Mobbing als negative, destruktive Verhaltensweise definiert, die häufig und über eine längere Zeit hinweg systematisch gegen eine Zielperson gerichtet wird. Mobbing geschieht durch indirekte, aktive, passive und körperliche Aggression. Ca. 3,5% aller Erwerbstätigen seien davon betroffen. Auch weist die Studie einen Zusammenhang von Mobbing und Depression aus:
»Ein wichtiges Nebenergebnis der Studie stellt die unerwartet hohe Rate von Depressivität in der Stichprobe dar [...] Diese Gefährdung psychischer Gesundheit steht nun in einem bedeutsamen Zusammenhang mit Mobbing«
- »Die Erfassung von Mobbing«, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2011, S. 131
Und nicht zu vergessen:
»Jeder siebte Berufstätige ist oder war schon einmal wegen eines seelischen Problems in professioneller Behandlung«.
- nach einer Analyse der DAK, gesundheit.de
»In einer Blitzumfrage hatte die Gewerkschaft knapp 4000 Betriebsräte in ihrem Organisationsbereich zu Stress und Burn-out am Arbeitsplatz befragt. Dabei gaben 86 Prozent an, dass der Anstieg psychischer Erkrankungen in ihrem Betrieb als ernstes Problem wahrgenommen werde.«
- nach einer Einschätzung der IG-Metall, süddeutsche.de vom 27. September 2009
Aber all das zählt natürlich nicht. Wer depressiv ist oder wird, ist eben eine labile, charakterschwache Sissi und, das ist der entscheidende Punkt, selbst dafür verantwortlich. Die Struktur unserer Arbeitsgesellschaft und dessen Wirkung auf den Einzelnen dürfen nicht angetastet oder in Frage gestellt werden.
Danke für diesen wichtigen und guten Artikel !
Das ist die neue Kunst dieser korrupten Bürokraten. Das System nie in Frage stellen, aber dem Einzelnen alle Schuld zuweisen !
Sie lernen es täglich durch die Medien und durch die gegen‑,widerwärtige Politik !
Hierzu passend ein Vierzeiler des Antidemokraten Goethe:
Mir ist das Volk zur Last,
Meint es doch dies und das;
Weil es die Fürsten haßt,
Denkt es es wäre was.
Gruß
Hartmut
Bei aller Zustimmung treibt mich dennoch eine Frage um, die derzeit totgeschwiegen wird — die zunehmende Psychiatrisierung unserer Gesellschaft.
Früher kam es nicht einmal selten vor, dass ganz normale Menschen als psychisch instabil in geschlossene Irrenanstalten eingeliefert wurden, es gibt historische Belege dafür, dass diese Praxis nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen Ländern praktiziert wurde — und auch heute hat man versucht Steuerfahnder mit einer psychiatrischen Diagnose muntot zu machen — Früher wären die weggesperrt, und mit Medikamenten ruhiggestellt, worden, und in Diktaturen wie z.B. dem Iran und Nordkorea soll es heute noch so vorkommen.
Wieso schreibst du nicht einmal dazu etwas?
Übrigens, in eine Irrenanstalt reinzukommen, als normaler Mensch, ist einfach, das Problem ist wieder als alltagsnormal zu gelten, wie z.B. die Buchautorin Vera Stein in ihrem Buch »Menschenfalle Psychiatrie« schon 2000, am Beispiel des eigenen (Über-)Lebens beschrieben hat — ein jahrelanger Kampf.
Ich bin mir fast sicher, die Sache ist bis heute nicht besser geworden ;-)
Gruß
Bernie
Jep, Danke für den Beitrag. Passt ins Bild unserer zynischen Arbeitswelt. Die nie und immer die Schuld an irgend etwas trägt — es ist nie das System, es ist immer nur das Individuum! Psychologen sehe ich prinzipiell auch nur noch als Reparatur- und Sedierungsstellen an, die das kaputte Humankapital wieder halbwegs fit macht, damit es sich weiter munter ausbeuten lässt. Bis es irgendwann die »Ansprüche des Arbeitsmarktes« nicht mehr erfüllen kann und dann vom »Fallmanager« auch noch die Schuld an der eigenen Arbeitslosigkeit zugesprochen kommt.
sehr gute beobachtung und analyse. ich hatte z. b. während der documenta zirka 90 stunden die woche gearbeitet, und ich war hinterher über einige monate völlig ausgebrannt.
einer der gründe war, dass die geschäftsführung aus kostengründen mir eine sekretärin verweigerte, das hießt, ich musste für 2 arbeiten.
@Dennis82
»[...]Bis es irgendwann die »Ansprüche des Arbeitsmarktes« nicht mehr erfüllen kann und dann vom »Fallmanager« auch noch die Schuld an der eigenen Arbeitslosigkeit zugesprochen kommt[...]«
Das reicht nicht einmal — ich setze noch einen drauf, und behaupte, dass du als »Querulant« einen Zwangstermin beim Arbeitsagenturpsychologen erhälst — Ganz einfach, weil du die Ungerechtigkeit des neoliberalen Systems siehst — aber als staatlich »angestellter« Arbeitsloser hast du eben zu kuschen, und das Maul zu halten.
Mehr dazu hier:
»[...]Hartz IV: Jobcenter spioniert im Internet
Musiker soll Mitwirkungspflicht einhalten und ein im Internet zitierten Satz schriftlich erklären[...]«
Quelle und ganzer Text:
http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-jobcenter-spioniert-im-internet-900243.php
....der Musiker gilt dann eben als »psychisch gestört«, weil er eben zynisch geäußert hat, dass er vom Staat leben würde.....
....das reicht neuerdings um als »irre« zu gelten....
Nordkorea oder ein anderes totalitäres System sind auch in der dt. Erziehungsdiktatur nicht mehr ferne....
Gruß
Bernie
Mal etwas ganz anderes:
Wie hat man »depressive« früher genannt; ich denke das alte Wort wäre SCHWERMÜTIG, das klingt menschlicher, depressiv (von den ganzen anderen Batterien von Psychobegriffen wie ADHS etc. mal ganz ab) klingt nach Klappsmühle und Irrenanstalt.
Es wäre schön wenn sich mehr Menschen mit ihren eigenen Schatten und seelischen Untiefen beschäftigen würden.
Aber heute: Diagnose. Pille. Weitermachen. Der Nächste.
Ich behaupte diese Zeiten in denen wir leben sind die kaltherzigsten der Menschheitsentwicklung, aber wie an anderer Stelle erwähnt kommt man mit der Lüge einmal um die Welt aber nicht zurück und an dieser Stelle stehen wir. Das hoffe ich mal.
Ein Wort noch zur Eigenverantwortung (auch so ein Gefasel):
E. setzt einen freien Willen voraus, den es bekanntlich nicht gibt und nur eine (eingeflüsterte) Illusion ist.
Entweder alle oder keiner!
@Der Typ mit dem man eigentlich ganz gut auskommen kann ((=Arschloch)
Ich teile deine Hoffnung.
Übrigens zufällig stand hier:
»[...]faz.net
15.02.2012 · Nr. 12906
Die »Krankheit« der schwierigen Jungen: ADHS[...]«
Quelle und ganzer Text:
http://hpd.de/node/12906
...erst etwas darüber wie man eine neue psychische Krankheit erfindet.
Der Erfinder von ADHS ist mittlerweile ja selbst der Ansicht, dass eine Diagnose falsch war, wie im Text steht, aber in .de ist das noch nicht angekommen.....Hauptsache man stellt »ADHS-Kinder« mit Psychopillen ruhig.....und der Krankenkassen-Rubel rollt.....
Zynische Grüße
Bernie
„Psychologen sehe ich prinzipiell auch nur noch als Reparatur– und Sedierungsstellen an, die das kaputte Humankapital wieder halbwegs fit macht, damit es sich weiter munter ausbeuten lässt.“
Das ist eine Verallgemeinerung, die für diejenigen ein Schlag ins Gesicht ist, die sich ernsthaft um ihre Patienten bemühen. Eine gute Therapie ist eine Ausgangslage für viele Menschen ein selbst bestimmtes Leben zu beginnen. Gerade in der Therapie verliert man die Angst. Jenseits der Angst beginnt ein Leben in dem man sich eben nicht mehr ausbeuten lässt!
Die Kunst in diesem Lande besteht eher darin einen guten Therapeuten zu finden. Und die Wartelisten sind lang bei diesen Therapeuten.
Die Barmer konstatiert in ihrem Bericht, was gerne von den „Mobbingtätern“ benutzt wird: „Es war alles nicht so schlimm und die Ursachen sind alleine in der Person des Opfers zu finden“. Wenn diese Gesellschaft vor allem die Arbeitswelt nicht bereit ist, hier grundlegend diese Probleme vor allem das Mobbing zu beseitigen, werden weiterhin Millionen in die Gesundung von „krankgemachten“ Seelen fließen. Die Aussage: „Ich behaupte diese Zeiten in denen wir leben sind die kaltherzigsten der Menschheitsentwicklung,…“ kann ich u. a. nach der Beendigung der Lektüre des Buches „Im Jenseits der Menschlichkeit: Ein Gerichtsmediziner in Auschwitz“ von Miklós Nyiszl nicht bestätigen. Hätte man etwas aus der Geschichte gelernt, würde es u. a. das Phänomen des Mobbings heute nicht geben. Im Übrigen, ist Mobbing ein Fall, der sich arbeitsrechtlich nie beweisen lässt. Das liegt in der Natur der Sache. Die Beteiligten werden sich nicht ihre eigenen Fehler eingestehen, denn hinter jedem Mobbingfall steht ein System, welches das Drangsalieren anderer Menschen ermuntert und nicht sanktioniert. Man sondiert lieber das „schwarze Schaf“ aus, als sich mit den grundlegenden „Systemfehlern“ zu beschäftigen.
@Vicky: Ich hatte mit Gegenwehr für diese Verallgemeinerung gerechnet... ;) Ich will der Psychologie auch nicht Ihren Nutzen absprechen, sowie guten Psychologen nicht deren Fähigkeiten und Engagement. Was mich aber stört ist auch in diesem Bereich eine Anpassung an eine mehr und mehr kranke Arbeitswelt, die letztlich auch Menschen krank werden und verzweiflen lässt. Sie werden dann zum Psychologen geschickt, damit der sie wieder flott bekommt. Ich verfolge auch in diversen Foren, in denen Menschen über ihre Therapien berichten, dass es letzlich gerade eben doch darum geht, die berechtigte Kritik an den bestehenden Verhältnissen von der Seite des Psychologen als unberechtigt oder nicht änderbar zu delegitimieren — und denjenigen so zurechtzubiegen, dass dieser eben doch auf dem Arbeitsmarkt alles mit sich machen lässt.
Dass heißt, die »Einsicht« in Abstriche bei der Berufswahl, Einkommen, Arbeitszeiten, Mobbing und so weiter. Letzten Endes ist es ja gerade dieser Widerstand des gesunden Menschenverstandes gegen die kalte »Realität«, welcher die Menschen verzweifeln lässt. Dass gilt wie gesagt nicht für alle Psychologen — aber einige...! Psychologen haben auch ein Weltbild und eine eigene Vorstellung davon, was jemand heutzutage zu leisten und zu akzeptieren imstande sein muss. Viele sind selbst durch ein hartes Studium voller Entbehrungen gegangen und kennen es nicht anders. Daher auch mein (verallgemeinerndes) Fazit.
»Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein. — Jiddu Krishnamurti
http://www.zeitgeistlos.de/zgblog/2011/faul-unter-faulen/
@Bernie: Die Geschichte hatte ich auch mitbekommen... Wer den Q‑Stempel einmal hat, kriegt ihn so schnell nicht wieder los.
»[...]@Bernie: Die Geschichte hatte ich auch mitbekommen... Wer den Q‑Stempel einmal hat, kriegt ihn so schnell nicht wieder los[...]«
@Dennis82
Eben, und mir geht es auch nicht darum, an die Adresse von Vicky gerichtet, Psychiater anzugreifen, sondern den Mißbrauch der Psychiatrie durch »schwarze« Schafe aus der Branche.
Übrigens, der Film des Regisseurs Milos Forman »Einer flog über das Kuckucksnest« war hier bei mir der Augenöffner.
Interessant ist, dass es außer in Filmen, wie z.B. Clint Eastwoods »Der fremde Sohn« neuerdings keinerlei Hinweise auf den Mißbrauch der Psychiatrie gibt, obwohl der immer noch, eben durch unseriöse Psychiater — wie bei den Steuerfahndern in Hessen praktiziert — existiert.
Der Wissenschaftsjournalist Jörg Blech hat mit »Krankheitserfinder« zwar etwas in die allgemeine Richtung veröffentlicht, dass es eben auch Krankheiten gibt, die frei von der Pharma-Industrie skandalisiert, oder sogar »erfunden« werden, aber eine Kritik an zunehmender Psychiatrisierung der Gesellschaft bleibt — bis dato — in Buchform aus.
Oder weiß hier jemand mehr?
Was Psychotherapeuten und Psychiater angeht, da gibt es Unterschiede auf die ich hier nicht näher eingehen will — Nur soviel, frei aus meiner Erinnerung »Psychotherapeut« ist keine geschützte Berufsbezeichung, d.h. jeder Hinz und Kunz kann sich als Psychotherapeut verkaufen — Es soll sich aber mittlerweile was geändert haben, wenn ich richtig informiert bin. Psychiater, das sind meist diplomierte, sind dagegen die seriöse Variante — Ich weiß es weil ich selbst einmal einen »Leitfaden zum Thema Psychotherapie« gelesen habe......will aber jetzt nicht näher drauf eingehen, da ich glaube, dass sich mittlerweile was geändert hat, bei Psychotherapeuten......es ist eine geschützte Berufsbezeichnung geworden.....ich kann mich aber auch irren....Übrigens, ein Verwandte von mir ist Heilpraktiker, und dort ist es auch heute noch so, dass die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist.....wie mein Kenntnisstand ist.....hatte länger keinen Kontakt mehr....Vielleicht hat sich da auch was geändert?
Gruß
Bernie
Ich arbeite noch bis Mitte des Jahres bei einem großen institutionellen Anleger (Pensionsfonds). Im letzten Jahr erfuhr ich, dass dort im großen Stil mit Rohstoffen spekuliert wird. Das hat mir als Katholikin sehr zu schaffen gemacht, Lebensmittelspekulation ist in meinen Augen nichts anderes Mord.
Ich war deswegen wirklich niedergedrückt und hatte das Gefühl mich zu verkaufen an das »Böse«, ja, mich seelisch zu prostituieren. Ist ein sicherer Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, Gleitzeit, nette Kollegen usw. es wirklich wert, sich zum Handlanger zu machen? Ich bin zwar nur in der Administration, aber man ist doch ein Rädchen, das funktioniert und mitmacht. Mir ging es in diesen Monaten seelisch wirklich beschissen, weil ich meinen eigenen moralischen Maßstäben nicht gerecht wurde.
Ich habe gekündigt.
Ab Herbst diesen Jahres werde ich auf meine alten Tage (ich bin über dreissig) eine Ausbildung zur Erzieherin beginnen. Ich möchte kein (Geld-)Scheinleben mehr führen, ich will versuchen meinen Beitrag zu leisten, damit Kinder zu Menschen erzogen werden, für die Nächstenliebe, Respekt und Achtsamkeit kein Begriff für Sonntagsreden ist, sondern praktizierte Wirklichkeit.
Ich werde in meinem neuen Beruf nicht annähernd das Geld verdienen, dass ich bisher verdient habe, aber das ist mir egal. Leben kann man von dem Geld auch und ich werde auch nicht mehr meinen Frust mit Konsum überdecken müssen. Das klappt sowieso nicht.
Was soll ich sagen? Mir geht es seit dieser Entscheidung wunderbar! Das Wichtigste im Leben ist in meinen Augen, dass man sich immer mit gutem Gewissen selbst im Spiegel ansehen kann.
Depressionen sind ein Aufschrei der Seele. Man kann sich nicht ewig selbst veleugnen.
Wer die Worte eigenverantwortliche Depression verwendet, der ist geistig nicht mehr weit entfernt von denen, die im Mittelalter behauptet haben, dass jedwede Krankheit ein Fluch Gottes sei, womit sie für ihre Sünden zu zahlen haben. Wohin das eine geführt hat, wissen wir. Zum anderen beschleicht mich jetzt schon eine Vorahnung, dass wir in noch düsterere Zeiten rutschen werden...
@Vicky
Nur ein kleiner unbedarfter Einwurf.
Ich behaupte diese Zeiten in denen wir leben sind die kaltherzigsten der Menschheitsentwicklung,…
yupp, volle Zustimmung, — aber so was von unbedingt.
... sich mit den grundlegenden „Systemfehlern“ zu beschäftigen.
Merkst du was? Was liegt ultimativ, und um 180 Grad polar, zum »humanem« Denken? Darin liegt der Widerpruch begraben, dass Bernie einmal pauschalisieren muss, obwohl er es nicht will, — genauso, — wie eine Technokratisierung der Psychotherapie genauso, — wie unser modernes Klumps in Richtung NLP und dem ganzen sonstigen Mist, — der letztendlich in eine Überpsychologisierung geführt hat. Die »echten« Psychotherapeuten, heute nämlich noch irgendwie aus dem Wust an Geschäftemachern raus zu filtern, ist ein echtes Unding für den Unbedarften. Da müssen sich die »echten«, schon ein wenig Ignoranz vorwerfen lassen. Dass sie jetzt über den gleichen Kamm geschoren werden, — da sind sie nicht ganz unschuldig dran.
Danke für den Hinweis, lieber eb — Du bringst es auf den Punkt ;-)
Gruß
Bernie
Wer von offizieller Seite das Wort Depression verwendet, der will in der Regel Werbung für die Pharmaindustrie machen. Man sollte Ärzten übrigens grundsätzlich verbieten, Psychopharmaka zu verschreiben, sie sind normalerweise wirkungslos und spülen nur Milliarden in die Kasse der Pharmakonzerne.
Wenn Arbeitgeber sich gegenüber ihren Arbeitnehmern (eigentlich wäre es umgekehrt richtig, ein Arbeitnehmer ist jemand, der seine Arbeit gibt!) so rücksichtsvoll verhalten würden, wie gegenüber ihrem Kapital und ihren Kapitaleignern, dann wäre schon viel geholfen.
@gerhardq
Deswegen weise ich ja weiter oben auf das Buch des Wissenschaftsjournalisten Jörg Blech »Die Krankheitserfinder. Wie wir zu Patienten gemacht werden.« hin ;-)
Dort steht nämlich schön nachzulesen, wie die Pharma-Industrie in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft neue Krankheiten erfindet, um dann kräftig über die »Erfindung« neuer Medikamente finanziell abzusahnen — generell, nicht nur auf das Thema Psychologie bezogen.
Gruß
Bernie
Es ist in diesem Zusammenhang interessant, dass die Verkäufe/Verschreibungen von Mittelchen wie Prozac in den USA seit den 1980ern proportional mit der Senkung der Sozialstandards gestiegen sind. Es mag nur eine Korrelation sein, aber...
Es gibt im ICD 10 auch unter F43.2 die so genannte „Anpassungsstörung“, hierin wird zumindest bescheinigt, dass eine Schockreaktion mit seelischen Folgen aufgrund eines Ereignisse eingetreten ist, ergo man mit seiner gesunden, „normalen“ Bewältigungsstrukturen eine Situation nicht mehr verarbeiten kann. Zusammen mit dem Diagnoseschlüssel: Z56 „Kontaktanlässe mit Bezug auf das Berufsleben“ ändert sich das Diagnoseprofil von der „schnöden“ Depression (man möge mir diese Bezeichnung verzeihen) in eine konkrete Situation.
Was weiterhin zu beklagen wäre, ist die Situation der verschreibungspflichtigen Medikamente. Es findet in der Regel entweder keine bzw. eine zu geringe Aufklärung statt. Mal ganz zu schweigen von Kontrolle. Dennoch stelle ich mir die Frage, ob ein Patient nicht geradezu das Zücken eines Verschreibungsblockes erwartet? Ein Arztbesuch ohne Medikation ist irgendwie kein richtiger Arztbesuch. Das mag nicht für alle Menschen gelten, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für sehr viele. Wie dem auch sei, die Pharmakonzerne verdienen bestimmt beträchtlich u. A. an dem Drangsalieren anderer Menschen. Wer sollte diese „Geschäftsmethode“ unterbinden?
Früher gab es(steht zwar noch im Gesetz...) einmal die „Fürsorgepflicht“ seitens des Unternehmers, aber da soll es auch einmal die „ehrbaren Kaufleute“ gegeben haben… Beides gibt es nicht mehr. Entweder müssen immer mehr Menschen „zusammenbrechen“ oder der Rückgang der Verfügungsmasse (gemäß den Demographieversprechungen der Statistiker) von Arbeitskräften wird Unternehmer dazu zwingen, Menschen wieder als Menschen anzuerkennen. Der Sprachgebrauch „Jeder ist ersetzbar“ ist bekanntlich keine Erfindung der heutigen Zeit.
@ bernie: „jeder Hinz und Kunz kann sich als Psychotherapeut verkaufen“
Oder sich als psychologischer Sachverständiger verkaufen. Schließlich besucht fast jede „Führungskraft“ heute ein entsprechendes Seminar. Und gerne greift der Laie auch zu dem Ausdruck „du bist ja verrückt, geh mal zum Arzt.“ Meist in dem Augenblick, in dem man nicht einer Meinung ist.
Und so sieht dann die aktuelle Berichterstattung in realiter aus: FR-Online — Burnout überwunden
Rangnick meldet sich arbeitsfähig
Ein knappes halbes Jahr Pause reicht: Ralf Rangnick fühlt sich nach seinem Burnout-Syndrom wieder fit. Im Sommer kann sich der ehemalige Trainer von Schalke 04 eine Rückkehr an die Seitenlinie vorstellen. [..]
Echt souverän diese Leister, nicht wahr?
Die Preisfrage ist für mich aber: Wenn ich heute zum Hausarzt gehe und dem erzähle, daß ich mich irgendwie nicht so gut fühle, dann bekomme ich als Kassenpatient nach wievielen Monaten/Jahren überhaupt eine adäquate Hilfestellung? Viele Hausärzte arbeiten doch selbst ständig an der Überforderungsgrenze und bei weitem nicht alle haben ein Auge für psychosomatische Zusammenhänge.
@Vicky
»[...] bernie: „jeder Hinz und Kunz kann sich als Psychotherapeut verkaufen“
Oder sich als psychologischer Sachverständiger verkaufen. Schließlich besucht fast jede „Führungskraft“ heute ein entsprechendes Seminar. Und gerne greift der Laie auch zu dem Ausdruck „du bist ja verrückt, geh mal zum Arzt.“ Meist in dem Augenblick, in dem man nicht einer Meinung ist[...]«
Was den »psychologischen Sachverständigen« angeht, da hast du recht, und was den »Laien« angeht — kleiner Tipp von mir: »Küchenpsychologe« hat hier schon wahre Wunder bewirkt, wenn man den der psychologisierenden Person an den Kopf wirft — ist die Entsprechung von »Quacksalber« bei allgemeinen Krankheiten.....der gute »Küchenpsychologe«....oder einfach nur die Frage: Und? Wo hast du dein Diplom in Psychologie erworben?
Amüsierter
Gruß
Bernie
@Andrea
Das Problem ist dann wiederum, dass herzensgute Menschen, die mit sich im Reinen sind, im sozialen Bereich häufig ausgenutzt werden. Frei nach dem Motto: »Schön, dass sich jemand freiwillig diesen Stress bei dieser geringen Bezahlung antut, dann müssen wir das nicht machen«. Es ist ein Dilemma.
@ bernie: Danke für den Typ »Küchenpsychologe«; werde ich bei nächster Gelegenheit ausprobieren. :mrgreen:
@Vicky
Gern geschehen ;-)
Gruß
Bernie
Den Beitrag im Gesundheitsheft der Barmer Krankenkasse über Burn-out habe ich auch gelesen. Ich habe für mich jedoch eine eigene Definition dafür:
Bei der eigenverantwortlichen Depression stellt sich bei mir die Frage: Wodurch entsteht Depression — Doch nur durch negativ subjektive Gedanken, denen ich ohne professionelle Hilfe in einem bestimmten Stadium der Depression keine positiven Gedanken entgegensetzen kann. Weil ich es noch nicht gelernt hatte. Denn dazu hat mir die Kraft gefehlt, weil mir der Arbeitsalltag dazu keine Gelegenheit gegeben hat. D.h. ich habe mir einfach keine Zeit dafür genommen, weil ich ja für meinen Geldgeber funktionieren musste.
Heute, nach meiner psychosomatischen Therapie ist mir klar geworden, dass ich psychosomatisch erkrankt bin und meinen eigenen Weg gefunden habe, nicht der Leistungsgesellschaft im Arbeitsleben gerecht zu werden, sondern mir gegenüber und meiner Gesundheit verantwortlich bin. Entsprechend habe ich meine Nachsorge bezüglich meiner Krankheitsbewältigung ausgerichtet.
Alle Beiträge, die ich in diesem Blog gelesen habe, sind richtig. Die Zeiten waren früher nicht besser, sie waren menschlicher und nicht so sehr auf Profitmaximierung ausgerichtet im Vergleich zur heutigen Zeit. Für mich ist der Mensch in der heutigen Leistungsgesellschaft im Arbeitsleben nur eine Nummer, wobei psychische Belastung und auch persönliche Schicksale keinen Platz mehr haben.
Beispiel: Die junge Generation stürmt die Universitäten, weil die Wirtschaft qualifiziertes Personal sucht. Für mich stellt sich die Frage: Wie qualifiziert muss ein junger Mensch sein, dass er sich selbst oder seine Familie ohne Existenzängste ernähren kann? Was ist heutzutage Qualifikation. Ich vermute, unsere arbeitende Gesellschaft wird mehr Häuptlinge bekommen, die das Sagen haben wollen, als Menschen die einfach zufrieden, ihren Stärken u. Schwächen angemessen, ihr Auskommen haben möchten.
Daher bin ich gut beraten, auf mich selbst aufzupassen ohne Rücksicht darauf, in wie weit ich meinem Geldgeber weiterhin seinen Profit auf Kosten meiner Gesundheit maximieren soll. Denn ich glaube, jeder weiss für sich selbst, wo er Hilfe finden kann, seine eigenen Grenzen kennt.
Ich kenn meine Grenzen und habe den Mut mein grosses Ziel mit kleinen Schritten zu erreichen.
Das ist für mich eigenverantwortliche Depression. Dem übermässigen Leistungsdruck paroli zu bieten. Ich spreche aus jüngster eigener Erfahrung.
:D
Nicht jeder von uns begreift die Eigenverantwortung für seinen psychischen und physischen Zustand. Wir leisten das, was das Gehirn uns erlaubt, oder auch der Körper. Die Fähigkeit, sich psychologisch zu entspannen hat meiner Tante geholfen, sich nach dem stressvollen Arbeitstag in sich zurückzukehren und nicht so nervös zu werden wie meine Mutti. Danke für die Anregungen!