Das Geschäft mit der Hoffnung

Der Handel mit der Zuversicht blüht wie nie zuvor. Er ist das zentrale Element zur Motivationssteigerung am Arbeitsplatz und zur Kaufentscheidung von Produkten und Dienstleistungen. Wer eine vermeintliche Verbesserung der individuellen Lebenssituation anbieten oder versprechen kann, der hat schnell die Menschen — und den Profit — auf seiner Seite.

Glücksspiele, allen voran Spielautomaten und Lotto, versprechen bei Gewinn ein besseres Leben. Geld mache zwar nicht glücklich, so eine Volksweisheit, beruhige aber die Nerven. Besonders wenn man sich ein Auto, ein Haus mit Garten, neue Möbel und so weiter leisten kann. Das Geschäftsprinzip gründet sich auf den Glauben der Käufer:

In Deutschland spielen 37 Prozent der Bundesbürger, also ca. 30,5 Millionen Menschen gelegentlich und 16 Prozent, also ca. 13 Millionen Bundesbürger regelmäßig Lotto.

- statistisches Bundesamt (2008)

Auch die Motivation ein Praktikum zu absolvieren, von dem man nicht leben kann, nährt sich durch den Optimismus, nach Abschluss in eine sozialversicherungspflichtige Lohnarbeit übernommen zu werden. Unternehmen und Arbeitgeber machen sich diese Erwartung zunutze, indem sie massenhaft unbezahlte Arbeitskräfte einstellen. Zudem gibt es bezeichnenderweise keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele Praktikanten es in Deutschland gibt und wie viele nach dem Praktikum wirklich übernommen werden:

Mitte des Jahres 2006 gab es circa 600.000 Praktikanten in Deutschland […] Zuverlässige Zahlen, wie viele Praktika pro Jahr abgeleistet werden, gibt es bislang nicht. Wie hoch die Chance ist, nach einem Praktikum übernommen zu werden, lässt sich daher nicht beziffern.

- IAB-Studie vom 22. März 2007

by epikur

Die gesamte Schönheitsindustrie (Kosmetik, Fitness, Textilien etc.) profitiert Milliardenfach von der Sehnsucht nach der ewigen Jugend. Man müsse nur das entsprechende Produkt kaufen, einen Sportkurs absolvieren oder ausgewählte Kleidung tragen, um von seinen Mitmenschen anerkannt, respektiert und begehrt zu werden. Unternehmen und Konzerne werben mit der Illusion, die Vergänglichkeit des Menschen aufhalten zu können. Schönheit gibt Zuversicht für ein individuelles, vermeintlich erfolgreiches Leben. Die Einstellung vom machbaren Körper, der Selbstbewusstsein verspricht, motiviert immer mehr Menschen, sich Operationen zu unterziehen:

In Deutschland ist die Zahl der Schönheitsoperationen binnen zwei Jahren von 400.000 auf mehr als eine Million gestiegen. Die Hemmschwellen, sich unters Messer zu legen, werden immer geringer.

- welt.de vom 29. Oktober 2007

Tausende Produkte und Dienstleistungen erzeugen die Sehnsucht nach Glück und Zufriedenheit. Coca Cola, Schokolade und Mcdonald’s erwecken den Wunsch nach Genuss. Versicherungen, Alarmanlagen und Schlösser geben die Zuversicht auf ein angstfreies und sorgloses Leben. Kino, TV, Internet, DVD´s und Videospiele suggerieren ein unterhaltsames, spannendes und aufregendes Leben. Smartphones und Handys nähren die Vorstellung von einer interaktiven, kommunikativen und sozial ausgefüllten Existenz.

Sollte am Ende die Verheißung auf ein besseres und glückliches Leben nicht eingetreten sein, dann sind nicht die Hoffnungsversprecher dafür verantwortlich, sondern das Individuum selbst. Es hatte entweder einen zu naiven Glauben oder nicht genug Eigenverantwortung übernommen.

13 Gedanken zu “Das Geschäft mit der Hoffnung

  1. Ein prächtiger Text! Die grellen Scheine der Dinge im delikaten Mondlicht!
    Es erweckt mir Erstaunen und regt mich zum Andenken gegen die Mauer des Banalen an, wenn ich mir mental zergehen lasse, mit welcher Einfachheit hier gearbeitet wird. Die irdisch verfügbare Lebenszeit dreht sich zu einem großen Teil darum. Schön möchte man erscheinen, der Beste möchte man sein, reich möchte man sein, Handlungen sollen die gewünschten Folgezustände erreichen, man stemmt alle möglichen Gewichte mithilfe der psychischen Energien, die an erhofftes Ziel gebunden sind. Man identifiziert sich mit nichts in der Gegenwart, man bindet sich an Zukünftiges. Dies sagt einiges. Aber wen wundert es. In dem Maße die Gegenwart zu einer schlecht lebbaren Zeit wird, in dem Maße muß die Zukunft sie stützen müssen. Die Flut an seichtsinnigen Erfahrungsformen, die wir ertragen müssen, verschärft dies. Der Tiefsinn ist sicherlich eine Erfahrungsform, die Trost spendet in unserer existentiellen Nichtigkeit, die mit oder ohne Neoliberalismus besteht. Dieser aber, spült die Bedingungen noch dafür aus und schleußt in die Kurzatmigkeit schneller Affekte und seichtsinniger Erfahrungsformen. Dies nagt an unabwendbar bestehenden Eckpunktthemen unserer Existenz. Es fällt schwer, darin einmal eingeübt, zu sehen, dass unsere Exposition in den Hoffnungsraum bloß ein täuschendes Geschäft ist. Man müßte die Angst davor einmal durchbrechen lassen und tief weinen.

  2. Prima Artikel !

    1989 schrieb Ulrich Schaffer in seinem Lahrer Geschenkheft ...weil du dein Leben entscheidest u.a.

    Du bist umgeben von Institutionen und Systemen,
    die alle zu wissen meinen, was du brauchst.
    Sie machen dir Angebote und betonen,
    wie gut es wäre, wenn du ihnen glauben würdest.

    Ratgeber annoncieren ihre Künste,
    Wissenschaftler verbessern dene Lebensqualität,
    Gurus wollen dich retten,
    und für jedes Problem gibt es Techniker und Ärzte,
    Politiker und Weltverbesserer, die behaupten,
    sie hätten dein Glück im Sinn.

    Für alles gibt es einen Durchschnitt,
    nach dem gemessen wird.
    Die Statistiken häufen sich.
    Du bist eine anonyme Zahl.

    Darum ist nichts so wichtig
    wie die Entscheidungen deines Lebens.
    Es ist wichtig, daß du etwas willst,
    in der Tiefe deines Wesens,
    daß du etwas mit deinem ganzen Herzen glaubst,
    daß du wählst, wie du leben willst,
    und daß du deine innere Stimme hörst und ihr traust.

    Diesen Text habe ich als Kommentar gewählt a) weil er schon vor
    23 Jahren geschrieben wurde. und b) dass U. Schaffer Grundlegendes zum o.a. Artikel hiermit geschrieben hat.
    Der Inhalt ist nahezu eine Vorwegnahme oder besser Hindeuteung auf den obigen Artikel.

    Danke !

  3. »Auch die Motivation ein Praktikum zu absolvieren, von dem man nicht leben kann, nährt sich durch den Optimismus, nach Abschluss in eine sozialversicherungspflichtige Lohnarbeit übernommen zu werden. Unternehmen und Arbeitgeber machen sich diese Erwartung zunutze, indem sie massenhaft unbezahlte Arbeitskräfte einstellen. «

    Einer der Punkte , wo der Neoliberalismus gerecht ist. Zurecht bestraft wird ‚wer bereit ist , jeden , aber auch jeden Preis zu zahlen , um gnädigerweise ins Räderwerk übernommen zu werden .

    Schuften , um schuften zu dürfen , selber schuld.

    »Sollte am Ende die Verheißung auf ein besseres und glückliches Leben nicht eingetreten sein, dann sind nicht die Hoffnungsversprecher dafür verantwortlich, sondern das Individuum selbst. Es hatte entweder einen zu naiven Glauben oder nicht genug Eigenverantwortung übernommen.«

    So ist es , und trotzdem ist es Abermillionen von Menschen wichtiger , zur Herde zu gehören , als sich selber so einigermaßen bei sich zu fühlen , oder diesen Zustand anzustreben.

  4. »Kino, TV, Internet, DVD´s und Videospiele suggerieren ein unterhaltsames, spannendes und aufregendes Leben.«

    Das erscheint mir doch recht undifferenziert. Diverse Fernsehserien und Videospiele werden in eurem Blog doch durchaus positiv betrachtet. Zudem prangen hier unter den Artikeln share-links zu sozialen Netzwerken, die ihr bereits des öfteren stark kritisiert habt. Ein schönes Beispiel für kognitive Dissonanz.

  5. Eventuelle Undifferenziertheiten, — ändern nichts am Zustand. Nobody is perfect, — und alle leben in der gleichen Welt. Das macht es aus. Die Kunst darin, — ist es trotzdem zu kritisieren, — inklusive sich selber, — oder auszublenden, — und die Ausblendung auch noch über kognitive Dissonanzen anderer zu entschuldigen. Was es dann für einen selber einfacher macht, — sie zu ignorieren. Es gäbe gar keine Kritik, — ohne kognitive Dissonanz. Aber erst wenn diese ausgeprägt genug ist, — entsteht Kritik und eventuelle Änderung. An sich selber, — und für andere. Ansonsten, — bleibt ein Status-Quo erhalten. So, — kommen wir nicht weiter. Sinnvoller, ist das Suchen nach Verhältnismäßigkeiten, die auch nach unten positiv wirken. Dazu muss man den quantitativen Wirkungsgrad kritisieren, den man selber spürt. Genau dafür, — gibt es kognitive Dissonanzen. Bitte keine Fachwörter missbrauchen, — wenn man sie nicht verstanden hat.

  6. @Maxim

    Gut, dass Du darauf hinweist!

    Wir werden auch in Zukunft über Computerspiele, soziale Netzwerke und Fernsehserien (auch positiv) schreiben. Und sie kritisieren. Ich nenne das Selbstreflektion.

    Es ist doch gerade kleingeistig, alle was man selbst macht oder toll findet, der Kritik zu entziehen. Und sie nur dort an zu wenden, wo man selbst unbeschadet davon kommt.

  7. Ich finde ihr geht ein bischen hart mit Maxim um. Bzgl.Kognitive Dissonanz verwechseln mMn sowohl Maxim als auch ebversum die K.D. Mit den folgen selbiger s. Wiki
    http://de.m.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz#section_4

    Auch empfinde ich den Artikel zu flach zu sehr s/w.
    Viel interessanter ist doch was man dagegen tun kann, das die Menschen wieder verstärkt eine Gemeinschaft bilden und der Profitgedanke nicht penetrant über allem steht. Man könnte auch fragen ›was treibt die Menschen in die Realitätsflucht‹ was muss wie geandert werden etc

    @ebversum auf was bezidht sich ...quantitativen Wirkungsgrad
    Lg Vini

  8. @Vini.T.
    Das Ding geht nicht gegen Maxim speziell. Sondern gegen alle, welche Begriffe aufschnappen, deren Bedeutung sie im Flow-By irgendwelchen Leseverhaltens, — unter anderem auch bei Wikipedia nachlesen. Wikipedia ist nichts anderes, als das Postulat dessen, der gerade seine eigene Ansicht und Recherche zu irgendetwas dort gerade veröffentlichen will. Alles andere als ernst zu nehmen. Und das Resultat ist mehr als ersichtlich. Besonders so etwas wie kognitive Dissonanz, findest du ununterbrochen im Jargon des mittleren bis höheren Managements. Aber nicht um einen Zustand zu beschreiben, sondern um es gegen den Aussprecher des Zustandes zu verwenden. Das liegt beim Begriff »kongnitive Dissonanz« nicht im Sinne des Erfinders. Es ist ein Oberbegriff, der nicht im Zeichen des Generalverdachtes gegen dessen Empfinders gedacht war. Nimm dir einen Langzeitarbeitslosen, der keine Optionen mehr hat, — und nicht mehr weiß, wie er seine Familie ernähren soll. Ich sage dir was. Auf diesen Menschen, ‑strömt eine unglaubliche Batterie an kognitiven Dissonanzen ein. Ich verachte diesen technokratischen Neusprech einer Sozio-Psychologie, — die versucht den simplen Satz; »Ich habe ein wirklich Scheiß-Gefühl dabei«, — auch noch pseudowissenschaftlich technokratisch zu versachlichen, — zu dehumanisieren, — und dann auch noch gegen den Kritiker zu verwenden. Das ist Banane, inhuman, — und abscheulich. Der quantitative Wirkungsgrad, — ist nichts anderes, — als das , was auf dich einströmt. Genieße es, — oder kritisiere es.

  9. Nachtrag, — wenn du schon von Realitätsflucht redest, — dann ist es sicher nicht diese Mitte, welche sich nach rechts bewegt, — aber genau damit moderiert. Oder?

  10. @ ebversum
    ich denke wir reden aneinander vorbei.
    Ich muss ganz doof fragen WAS strömt auf mich ein? Politik, Druck der Gessellschaft, ...? Lese das blog erst seit 2–3 Monaten und kennen deinen Hintergrund nicht sry.

    ...Wikipedia ist nichts anderes, als das Postulat dessen, der gerade seine eigene Ansicht und Recherche zu irgendetwas dort gerade veröffentlichen will. Alles andere als ernst zu nehmen...

    Mit der Ansicht kannst Du ja jede Ausssage als nicht ernst zu nehmend verwerfen...

    Der kleinste gemeinsame Nenner bzgl. k.D. wird wohl sein das der Begriff meist falsch verwendet wird :)

    ...Sondern gegen alle, welche Begriffe aufschnappen, deren Bedeutung sie im Flow-By irgendwelchen Leseverhaltens...

    Wäre es dann nicht besser gewesen ihn auf seinen Missstand hinzuweisen, die eigene Definition veranschaulichen und nicht gleich ihn verbal anzugreifen, das führt meist nur dazu, dass sich der Andere verschließt.

    Auch sehe ich nicht die Kunst daran zu kritisieren.
    Polemisch ausgedrückt... sich auszukotzen das alles Sch***e ist,
    ist einfach, aber dagegen etwas zu tun eine Lösung zu finden das ist für mich die Kunst, die ich leider selber noch nicht kann.

    Mit Realitätsflucht meinte ich das normale Leben/den Alltag mit dem doch viele Menschen nicht mehr klar kommen und sich dann in Alkohol, Spiele, Spielzeugt etc. zur Ablenkung flüchten.

    Was mich an der Momentanen (Lebens)Situation stört ist z.B. das die einzelnen Menschen, gefühlt immer weniger zur Empathie in der Lage sind.

    LG
    Vini
    PS: falls etwas wirr erscheint mag man es mir bitte verzeihen, bin übermüdet.

  11. Nachtrag
    bzgl. diese Mitte, welche sich nach rechts bewegt
    politisch gibt es für mich keine Mitte mehr da selbige nach rechts gedrifftet ist.

  12. @Vini T

    Viel interessanter ist doch was man dagegen tun kann, das die Menschen wieder verstärkt eine Gemeinschaft bilden und der Profitgedanke nicht penetrant über allem steht. [...] Auch sehe ich nicht die Kunst daran zu kritisieren. Polemisch ausgedrückt... sich auszukotzen das alles Sch***e ist, ist einfach, aber dagegen etwas zu tun eine Lösung zu finden das ist für mich die Kunst, die ich leider selber noch nicht kann.

    Zunächst einmal gilt es, seine Wahrnehmung zu schärfen und gegen die grenzenlose Anti-Aufklärung an zu gehen. Aktionismus bringt wenig, wenn alle Räume dicht gemacht wurden. Seine Gedanken zu entmarkten, ist zumindest ein Anfang.

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