Sibylle Berg greift in ihrer SPON-Kolumne einen Gedanken auf, der mir auch schon seit langem durch den Kopf geht. Intellektuelle, Künstler, Philosophen und Musiker — kurz: schöpferische und kreative Menschen, die nicht marktkonform sind und handeln, werden heute weitestgehend ignoriert oder sogar verachtet. Nur wer seine Kunst, seine Gedanken und seine Weltliebe verwerten und verkaufen kann, wird respektiert. Alle anderen kulturschaffenden Denker, Künstler und Philosophen werden als überflüssiger Ballast gesehen: Spinner, Träumer und Idealisten, die es zu nichts gebracht haben. Intelligenz wird nur geachtet, wenn sie eine Marktintelligenz ist.
Warum ist intellektuell heute ein Schimpfwort? Weil keinen Wert mehr hat, was nicht verkauft. [...] Gesellschaftlich respektiert werden unterdes nur noch Menschen, die es zu was, sprich: zu Geld gebracht haben. [...] Intellektuelle sind heute Verlierer, weil sie kein Geld verdienen. Sie haben keine Label an ihrer Kleidung, sie feiern nicht in St. Moritz, sie sind ohne jede Bedeutung für unsere Gesellschaft, also lächerlich. [..] Was nicht verkauft, hat keinen Wert.
- Sibylle Berg in ihrer SPON-Kolumne vom 31. Mai 2011
Schließlich sind Intellektuelle auch gefährlich. Sie zeigen mit ihrer Art zu leben und zu denken alternative Wege zum aktuellen Lebensstil der normierten Gesellschaft auf. Obwohl sie frei sind in dem was sie machen, werden sie von den neoliberalen verachtet, weil sie sich häufig dem wirtschaftlichen Leistungsgedanken entziehen. Damit sind sie das Paradebeispiel des nicht ökonomischen Menschen.
Gipfel war für mich, als ein Pianist (ich weiß es nicht 100% mehr) im Moma war und als WELTMARKTFÜHRER gehandelt wurde. Weltmarktführer!!!! Das ist doch pervers. Er mag vielleicht gut sein, aber ist er besser als andere oder vermarktet er sich nur besser. Ich tendiere zu Letzterem.
Ja, ich erinnere mich auch daran. Es ging dabei um Jamie Cullum.
Marketing ist eben alles, auch im Kunstbetrieb. Und je mehr daran verdienen, umso besser.
Meine Güte. Jetzt wird uns auch schon in diesem Bereich »Meinung gemacht«. Ich halte es nicht mehr aus.
Was hat sich denn geändert in letzter Zeit? Kunst ist, wofür irgendwer viel Geld bezahlt. Alle anderen sind bestenfalls »Hobbykünstler« oder »Kunsthandwerker«, vor allem, wenn sie aus unteren Gesellschaftsschichten stammen.
Was besonders gut bei den Systemzombies ankommt, hat noch dazu meist wenig Stil, ist eher seicht und anspruchslos als originell und ästhetisch erlesen. Wahre Kunst schafft es nur selten in den Mainstream. Das liegt sicher auch daran, dass grosse Kunstagenturen und Labels bestimmen können, was Otto Normalverbraucher von den Massenmedien vorgesetzt bekommt. Aber genauso an der Genügsamkeit der »von Geburt an« gehirngewaschenen »Kunstgeniesser«.
Naja. Einen kleinen Fettnapf erlaube ich mir doch. Ich stimme dem geschriebenen absolut zu. Jeder kennt den Spruch des Biertrinkers, »Da hat ja wohl jemand was nicht richtig gemacht«, wenn der ehrliche Künstler nicht das Geld im Zielvisier hatte. Solcherlei Betitelungen gehen sogar bis zur Absprechung von Intelligenz, wenn jemand sein Zeug nicht zu Kohle verarbeitet. Das ist Status-Quo. Erbärmlicherweise, habe ich aber jetzt wenig Mitleid mit der Kunstszene dieses Landes, die daran nicht unerheblich mit gewirkt hat. Und hierin, finden sich nicht selten Gestalten, die einem Intelligenzfaschismus frönen, der Esoterik allzuoft mit Vernunft und Alternativen verwechselt. Es ist schon absolut richtig was Epikur schreibt, — aber die Künstler müssen auch den Arsch hoch kriegen. Ich werde jetzt nicht die Mittäter zu Opfern machen.
Intellektuelle, ob künstlerischer oder naturwissenschaftlich/technischer Art, werden in unserer heutigen Gesellschaft meist als Spinner belächelt, wenn nicht sogar verachtet.
Gerade heute ist mir das mal wieder aufgefallen, ich war in München zur InterSolar. Mit der heißen Luft, die die Verkaufstypen dort produzierten, hätte man ganze Städte heizen können. Das ihre Produkte aber von Technikern, Ingenieuren und Wissenschaftlern kreiert werden müssen, wird bei dem ganzen Tanz um das goldene Kalb gern vergessen.
Warum haben wir in Deutschland immer mehr Probleme? Weil, im Gegensatz zu den früheren Zeiten, heute die Juristen, Buchhalter und Bürokraten das Sagen haben. Und diesen Menschen haben eins gemeinsam: mangelnde Phantasie und Kreativität. Diese Menschen können sich nur an meßbares Geld und die bekannte Vergangenheit orientieren. Für diese Menschen sind die Kreativen und die Intelligenten die natürlichen Feinde ihrer Weltordnung. Sie sind nicht in der Lage, künstlerische oder wissenschaftliche Leistungen wirklich zu erkennen, geschweige dann zu bewerten.
Genaugenommen haben die o.g. Menschen einen psychischen Defekt, der sie zu funktionierenden Zombies degradiert. Sie sind das Resultat einer neoliberalen Ideologie, deren einziger Zweck in der Erhaltung und Auseitung der herrschenden neofeudalen Marktzustände besteht.
Ah geh, dieses Lästern über die materielle Erfolgslosigkeit der Künstler und Intellektuellen ist doch nur ein Neid-Reflex der Denk-Prolls; die müssen ihre Sinndefizite und geistige Leere durch Spott kaschieren und zur Stabilisierung ihres zwergenhaften Selbstwertgefühls auch ihre Mitläuferschaft im gesellschaftlichen Mainstream legitimieren...
das ist auch nicht schade. oxnzeam verfehlt die Sache. Neidgefühle sind schnell dahergesagt, aber im Konkreten doch recht selten zu finden.
Schade ist es trozdem nicht. Der Intellektualismus war in zu großen Teilen Schaumschlägerei auf Klassenbasis. Das kommt heute weder bei denen Draußen gut an, noch bei denen Drinnen. Die Draußen monieren die Einordnung der Gedanken in die Kapitalverwertung und wünschen sich, Schaumschläger sein zu dürfen und damit von sozial-ökonomischen Sorgen befreit zu sein. Zugleich wären ihre narzistischen Anteile Dauerbefriedigt. Die Drinnen wollen tunlichst verhindern, dass ihre Schaumschlägerei nichts als sozial-ökonomisch gesicherte, auf Klassenausbeutung basierende Phantasieexposition ist. Daher ist das Klassenthema weitgehend tabu in dieser Welt der Schaumschlägeraspiranten. Im Grunde ist das nichts als die narizistische Aspiration zur Distinktion in Gedanken. Der eine kauft Jachten, um distinguiert anerkannt zu werden, die andere dickere Bücher und phantastischere Theorien, um distinguiert anerkannt zu werden.
Denkerische Intellektuelle schreiben sich zuerst immer das Gute auf ihre Fahnen, bildnerischer Intellektuelle das Schöne. Letztere sind inzwischen ja gänzlich in ihre industrielle Form übergegangen: Design von Seiendem zu Verkaufszwecken. Die schöne Kunst hat sich definitiv konsolidiert in a‑kreative Sonderwelten und zeigt wieder ihr jahrhundertealte Form des elitären Vakuums und gelangweilter Privatwelten, die einen Pinselstrich zum Sinn des Universums halluzinieren. Wo das nicht geht, herrscht das gehetzte Feilschen im Bilderwert.
Denkerische Intellektuelle sind dem Individualismus auf den Leim gegangen und harren jetzt missmutig in ihren Denkgefängissen, weil sie vom ehemaligen Ideal Kommunismus und Emanzipation in die Untiefen des neoliberalistischen, vereinzelnden Leistungdenkens geraten sind und im Widerspruch verharren, sich dennoch permanent als in Opposition zur Gesellschaft fühlen. Man schaut dann halt noch, dass man mdit den neusten Mainstreams immer schön mitkommt. Nicht zum hunderdsten Mal Hegels Wissenschaft der Logik, nein, man macht die Erfahrung des Streamlinens des eigenen Denkens, zuerst lernt man mal Englisch, dann die Sprachphilosophie, die ökonomische Theorie der Demokratie und zuletzt evaluiert man seinen eigenen Campushabitus. Man muss sich definitiv nur mehr Gebietsintern artikulieren, für die externe Welt ist soweit alles gesagt und weil alles so komplex geworden ist, muss man sich auch hüten, was zu sagen, wichtig ist jetzt Fleiß und Leistung in den eigenen vier Wänden. Ein paar materielle Tropfsteine gibt es dann in der Welt doch, dort können sich die Besten/Konformsten drunterstellen und ihr Gehirn Debattenstreamlinen. Man stellt sich dann auf Professional um und harrt der wissenschaftlichen evidence, ob es überhaupt etwas zu kritisieren gibt.
Das Band ist gerissen. Das Denken ist wieder in die Elfenbeintürme zurück. Es ist sozial-ökonomisch verzerrt, es ist das oligarchische Denken. Der breiten Masse sind die sozial-ökonomischen Bedingungen des Denkens und Bildens verwehrt. Der Zugang zur Selbsterkenntnis und zum Selbstausdruck ist versperrt.
»Die schöne Kunst hat sich definitiv konsolidiert in a‑kreative Sonderwelten«
Ich durfte letzt auf 3sat kunstvolles Kotzen bestaunen!
Ein Bericht über eine Künstlerin, die Farbe schluckte und dann auf am Boden liegendes Papier erbrach, »bullemistische Kunst«.
Wobei ich mich da als Kunst-Laie schon frage, welchen Zweck das verfolgt. Die hingekotzten Werke kamen mir vom Bau her bekannt vor, wenn jemand einen Eimer Farbe von der Leiter kippt.
Aber um sowas zu beurteilen, muss man wohl Kunst studieren und »Intelligenz-Faschist« werden.
Jetzt kann man aber auf jeder Dorf-Disko in Pusemuckel Jungspunte treffen, die beim Reihern eine bessere Performance hinlegen und dabei mehr Spaß verbreiten- und sich Farbe in eine andere Körperöffnung und von dort auf die Leinwand zu drücken gab es auch schon.
Besonders kreativ war also bestenfalls die Namensgebung.
(Vielleicht war das aber auch nur als Happening gedacht, wo sich elitäre Schnösel gegenseitig langweilen, die Nase pudern und entweder betont öde oder besonders schrille Plörren auftragen, sich gegenseitig verachten, dabei ihre Erhabenheit bestätigen während sie sich als Phrasendreschmaschinen betätigen.)
Das bringt mich aber auf eine lukrative, also künstlerisch wertvolle Idee:
Beim Nächsten Sommerurlaub in Niedersachsen miet ich mir eine große Fräse und schneid mir einen auf Asphalt getrockneten Kuhfladen aus (von denen einige durchaus ästhetischere Formungen als die Farb-Kotze der Künstlerin haben dürften) belege das rustikale Werk mit klangvollem Namen wie
»Ausstiegsszenario« oder »Myxomatosis«
und werde reich und wichtig. Dass ich von Kunst keine Ahnung habe kaschiere ich auf meinen Vernissagen gekonnt mit einem geheimnisvollen Lächeln und wenn mich einer was fragt, entschuldige ich mich mit vom tiefgründigen Grübeln herrührender Migräne.
Jetzt sag mir bitte jemand, dass ich damit nicht durchkäme, um meinen pathologischen Kulturpessimismus zu mildern!
Aber wenn mir jetzt jemand die Idee meiner Kuh-Kack-Kunst klaut, werd ich bös, Vorbestellungen sind erwünscht, Farbgebung kann nach Kundenwunsch durch gezielte Fütterung beeinflusst werden :bier:
@oxnzeam. (sorry, — out of topic )
Hihi. Durchaus spannend. Nichts für ungut, — ich mag deine Schnipsel, — aber meine eigene gehässige Version in angemessener »arte«-Philosophie der guten Frau Cassam, sieht etwas vulgärer aus. Sie besitzt durchaus eine gewisse Erotik, wenn man vom nervösem Augenzwinkern beim Betrachten maskuliner Wurzelabbildungen descartscher Analogien absieht. Nochmals, — nichts für ungut, aber ich glaube, ich muss meine linkliste erweitern ;-) Jetzt schlagt mich schon endlich, ob meines intellektuellem Versagens und gnadenlos triebhaftem Sexismus nicht akzeptierender Kulturergüsse einer Nicht-Kultur.