In Zeiten der Meinungspluralität will jeder zu allem eine Meinung haben und gibt zu allem seinen Senf ab. Doch manchmal gibt es Themen, wo ich mich nicht entscheiden kann: Pro oder Contra? Ich verstehe beide Seiten, kann beide nachvollziehen und mich schwer entscheiden. Diesen Zustand auszuhalten ist nicht immer leicht. Im folgenden geht es um den Schwangerschaftsabbruch bei Bekanntwerden von schwerwiegender geistiger oder körperlicher Behinderung des zukünftigen Kindes. Abtreiben, ja oder nein? Was spricht dafür, was dagegen? Diskutiert mit!
PRO:
Man muss sich selbstkritisch eingestehen, ob man wirklich Kraft, Zeit und Energie für z.B. ein Down-Syndrom-Kind aufbringen kann? Möchte man dem zukünftigen Kind zumuten, in einer ohnehin schon oft menschenfeindlichen Gesellschaft, als Minderheit sich durchzuschlagen, das womöglich sein Leben lang gehänselt, schief angeguckt und gemobbt wird?
CONTRA:
Jeder Mensch, auch mit schwerwiegender Beeinträchtigung hat das Recht zu leben und wird das Leben in seiner eigenen Wahrnehmung erleben. Auch behinderte Menschen empfinden Glück, Liebe und Freude, wie jeder andere Mensch auch. Wenn man ein Fötus abtreibt, weil eine Behinderung festgestellt wurde, macht man es ganz sicher nicht dem Kind zuliebe, sondern aus egoistischen Interessen.
Das ist etwas, was die Eltern ausmachen müssen!
Und ansonsten gilt, dass man in der Gesellschaft Diskriminierung (nicht nur im Gesetz, sondern auch kulturell) schärfer verurteilen muss.
Was bringt es denn, wenn im GG steht, dass alle gleich sind und auf dem Schulhof machen sich die Kinder gegenseitig fertig?
Und wo haben die das her?
Klare Sache, die Entscheidung liegt bei den Eltern. UIch sehe kein Problem darin, Abtreibungen durchzuführen. Problematisch wird es erst, wenn das Kind auf die Welt gekommen ist, dann hat es natürlich jedes Lebensrecht wie jedes andere Kind. Ein Kind, das nicht geboren wurde, kann sich auch nicht daran stören, dass es nicht geboren wurde.
Richtig, das müssen die Eltern selbst entscheiden.
Ich habe selbst mit kurz über 40 noch ein gewünschtes Kind auf die Welt gebracht.
Die Arztbesuche waren für mich monatlich mitunter unerträglich, weil ich mich gegen jede Tests, die mir die Ärztin aufdrücken wollte, geweigert habe. Ich wollte es nicht wissen und zweifelte nie daran, ein gesundes Kind zu bekommen.
Mir selbst habe ich auch immer gesagt, dass ich kein Recht habe, ein krankes Kind einfach zu entsorgen. Auch ein krankes Kind ist mein Kind und ich hätte damit leben können. Auch Kinder mit einem Down-Syndrom sind sehr liebenswerte Menschen, sie sind einfach nur anders.
Übrigens sind die Untersuchungen auch nicht ungefährlich und auch nicht immer zu 100 Prozent sicher.
Es wäre für mich unerträglich gewesen, nach einem Test das Kind zu verlieren.
Zu diesem Thema gibt es jede Menge Literatur, auch von betroffenen Müttern, die ein behindertes Kind haben abtreiben lassen, aber später ein Kind bekamen, das wesentlich stärkere Behinderungen hatte, die nicht erkannt wurden.
Jeder muss eben selbst einschätzen, was er mit seinem Gewissen vereinbaren kann.
Grundsätzlich ist jeder für seine Entscheidungen 100% selbst verantwortlich und muss dafür die Konsequenzen tragen. Wer als Mensch kann entscheiden, welches Leben lebenswert und welches abzulehnen sei. In unserer Leistungsgesellschaft gilt nur noch, wer zum Steuerzahlen geeignet ist.
Als betroffener Vater, der einen Sohn mit Morbus Down und schwersten Herzfehler hat, kann ich aus eigener Erfahrung berichten. Es ist eine ganz andere Lebensqualität. Der Leistungsgedanke ist minimiert, dafür erhält das emotionale harmonische Miteinander einen sehr grossen Stellenwert. Die Liebe, die ein »Behinderter« zurückgeben kann, ist phänomenal. Ohne intakte Familie wird es wahrscheinlich schlechter gehen. Jede Abtreibung ist die Verhinderung eines gewollten Lebens.
Ist es nicht schön, — dass es Fragen gibt, wo es keine Erklärung gibt? Wo es schlicht und einfach, am rein individuellen Begehren und der rein individuellen Bereitschaft liegt, wofür jemand bereit ist gerade zu stehen? Keine Rituale, keine Erklärungen, keine Muster nach denen man sich die Welt gerade biegen kann. Eine simple »menschliche« Entscheidung. Es ist leicht, für , oder gegen Abtreibung zu sein, wenn man nicht betroffen ist. Es ist leicht, für, oder gegen etwas zu sein, was einem die Möglichkeiten bietet, dem eigenen Wust an Möglichkeiten noch etwas hinzuzufügen. Weder religiöse, noch technische Akzeptanz einer möglichen Wahlfreiheit, werden dies jemals lösen. Es wird immer nur die Menschen zeigen, die zeigen, worauf es ihnen ankommt. Übrig bleibt, — keine Theorie, — nur reine Praxis.
Ich sehe es auch so, dass es jeder selbst entscheiden muss. Nur wir sind doch alle eingebettet, in spezifische sozioökonomische und soziale Handlungs- und Denkmuster, oder?
Für mich stellt sich hier die Frage, wenn Menschen nur noch nach ihrer Leistungsfähigkeit (toller Beruf, Geld, Vermögen, gutes Aussehen, Sozialstatus etc.) beurteilt und bewertet werden, welchen »Wert« haben dann überhaupt noch Menschen mit Behinderung bzw. mit starker körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung?
Wikipedia:
Aber natürlich haben solche Menschen einen Wert! Man kann sie in Behindertenwerkstätten für billiges Geld schuften lassen und ihre Erzeugnisse zur Gewissensberuhigung an Grünen — Wähler verscherbeln. Man kann sie zum Geldeintreiben über die Mitleidsschiene nutzen. Auch der Auftritt in den Freakshows, die das Fernsehen so gerne als Realität verkauft, ist eine steile Karriere möglich!
Und im Extremfall kann man sie für Experimente, die kein anderer machen will, oder für die Triebabfuhr von Betreuern verwenden.
OK. Das ist hart. Aber ich fürchte, es gibt Hirne, die in solchen Bahnen denken.
Und zum Thema: Ich meine, Mensch ist Mensch. Egal wie er rauskommt. Und ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, daß nach Abort jemand auf Dauer den Konflikt zwischen »Ich hab ihm ein unmögliches, grausiges Dasein erspart« und »Ich hab ein Leben geopfert« auf Dauer aushält.
Und außerdem: Wer hier arbeitet in der Pflege und kennt daher die dort tobende Debatte, was ›behindert ‹ eigentlich ist? Ich kann euch sagen, das ist nicht ohne.
@Raze, traurig, hart und wahr, was Sie schreiben.
Schon davon gehört, dass Behinderten Geld gekürzt wird.
Tolle Hartz IV-Reform.
Was mit Behinderten in Deutschland passiert, ist eine grosse Sauerei.
Was ist eine Behinderung — blond, dunkelhäutig, klein, dumm, faul ....... , keine Angst ohne kleinen Finger, ohne Beine, Spastiker?
Wer weiß vor der Geburt um eine mögliche »Behinderung« des Ungeborenen?
Wer weiß bevor sich einem eine neue Aufgabe stellt, ob man dieser gewachsen ist? Es ist doch ermutigend, dass man sprichwörtlich mit seinen Aufgaben wächst.
Wo nimmt man die Erfahrung her, dass ein Leben mit behinderten Menschen schwieriger ist, als das mit nicht behinderten?
Diese Diskussion der Ahnungslosigkeit führt, wenn sie dann in Gesetze gegossen wird nur zur Gefahr, der Stigmatisierung von Behinderten nach dem Motto: »Wieso bist Du denn zur Welt gekommen, das war doch gesetzlich gar nicht zwingend?« Und in diesem Klima wird es dann für die Eltern echt ungemütlich.
ihr habt alle keine Ahnung darüber schreiben, eine Meinung sich wirklich bilden kann man erst dANN WENN MAN ES WIRKLICH ERFÄHRT ERLEBT HAT!!!!
@kati
Sie wissen doch gar nicht, ob und wer hier schon Erfahrung damit gemacht hat? Davon abgesehen, darf sich doch wohl jeder auch eine Meinung darüber bilden, oder etwa nicht?
Es ist ein sensibles Thema, keine Frage. Nur den Autor und die Kommentatoren als »Unwissende« zu beschimpfen und ansonsten nichts zu sagen, davon hat niemand etwas, oder? Was sagen Sie denn zu dem Thema?
also für mich gibt es nur eine Richtige Entscheidung und zwar das man es bekommt.!!!
Jeder von euch kann sich im Internet raussuchen ab wann ein Kind im Bauch der Mutter anfängt zu denken und zu Fühlen ab wann es ein Herz und andere Organe hat, das ist noch vor der 12 woche. Das Kind bekommt ab da alles mit und meine Meinung ist das jedes Kind ein recht auf leben hat
Wenn meine Tochter (Schulkind) heute einen Unfall hat und dann schwerbehindert ist, kann ich auch nicht entscheiden, dass ich nicht Zeit, Kraft, Geld habe, mich um sie zu kümmern und sie totspritzen lassen. Warum Kinder IM Mutterleib weniger Rechte haben als AUSSERHALB, leuchtet mir nicht ein.
Hier mal eine Wortmeldung von einer, die den Konflikt Pro-contra-Abtreibung leider am eigenen Leib durchleben musste...
Ich habe mein Down-Baby abgetrieben. Und das, obwohl ich früher ganz entschieden gegen Schwangerschaftsabbrüche war. Tja, Theorie und Praxis können sehr unterschiedlich sein... Unsere Geschichte ist die folgende:
Ein glücklicherweise gesunder Sohn (damals 2,5 Jahre alt), der aber von Anfang an alles andere als pflegeleicht war (Schreibaby, hochsensibel, schläft immer schon sehr wenig...). Und eine chronisch eingeschränkte Mama, die aufgrund ihrer diversen gesundheitlichen Probleme schon mit »nur« einem Kind ständig auf dem Zahnfleisch kriecht. Dazu ein sehr engagierter Papa, der neben seinem anspruchsvollen Vollzeitjob alles tut, um die kranke Mama zuhause möglichst viel zu entlasten.
Da der Sohn per künstlicher Befruchtung gezeugt wurde, glaubt das Paar nicht so recht an seine eigene Fruchtbarkeit. Dann wird die Frau überraschend doch nochmal schwanger. Das Paar macht sich große Sorgen, wie es mit einem zweiten Kind klarkommen soll, wenn die Frau doch jetzt schon ständig krank und am Ende ihrer Kräfte ist. Dies alles noch unter der Annahme, dass das zweite Kind ebenfalls gesund sein wird.
Die beiden entscheiden sich für einen der neuen DNA-Bluttests, vielleicht als eine Art Orakel? Diagnose: Down-Syndrom, freie Trisomie 21. Der schon immer grenzwertig eingespannte Vater sagt: »Das schaffe ich nicht auch noch obendrauf«. Die chronisch erschöpfte Mutter denkt genauso. Beiden geht es sehr, sehr schlecht damit, denn sie fühlen sich den christlichen Werten verpflichtet und glauben an den einzigartigen Wert jedes Menschen.
Und dennoch: Bis heute sind sie überzeugt davon, eigentlich keine Wahl gehabt zu haben. Das Kind austragen, gebären und nach der Geburt zu Ersatzeltern geben...? Das könnte die Frau nie übers Herz bringen, zu stark würde sie sich mit ihrem Baby verbunden fühlen. Zudem ist das Internet voll mit Kurzportraits von behinderten Kindern, für die vergeblich nach Pflegeeltern gesucht wird. Und ein Heim ist von vornherein keine Option, die sich die Frau und der Mann für ihr Baby vorstellen könnten.
Blieb also nur noch die Abtreibung. Diese fand in der 14. SSW statt und ist demnächst zwei Jahre her. Man lernt, irgendwie damit zu leben, aber die Gefühle der Schuld und des Zweifels bleiben wohl. Für immer. Obwohl wir rational nach wie vor voll hinter unserer Entscheidung stehen. Weil wir eben nicht glauben, dass wir den Alltag mit einem behinderten Kind gepackt hätten.
Ach ja, ich bin übrigens Sonderpädagogin, kenne daher etliche Menschen mit Down-Syndrom. Es gibt sie zwar, die ganz leichten Fälle, die gern in den Medien präsentiert werden. Die Realität in den meisten Familien sieht jedoch ganz anders aus.
PS: In meiner gesundheitlichen Situation ist übrigens auch an eine Berufstätigkeit nicht mal zu denken, weder damals noch heute.
@TrauerndeMama
Vielen Dank für Deinen Beitrag zum Thema! Auch heute, fünf Jahre später, kann ich beide Ansichten verstehen und nachvollziehen.
Das muss jeder selber entscheiden. Habe damals gleiche Situation erlebt und sofort das Ding abgetrieben und nein ich bereue es nie im Gegenteil.
Für mein Gefühl ist Abtreibung Mord am ungeborenen Leben. Ich sehe das auch so, wenn für die Frau Lebensgefahr besteht, oder wenn sie vergewaltigt wurde. Allerdings verurteile ich keine Frau, die ihr Kind abtreibt, da ich mich nicht in ihre emotionale Lage versetzen kann. Ich finde es wichtig, dass Frauen oder Mädchen gut beraten werden und über Alternativen aufgeklärt werden. Bevor einem Kind aber ein dragisches Schicksal bevorsteht, weil die Mutter keine andere Wahl hatte als es zu gebären, frage ich mich welche Wahl wohl das ungeborene Kind getroffen hätte? Wenn es irgendwie möglich ist, sollten Frauen ihre ungewollten Kinder bekommen und diese zur Adoption freigeben, denn das Kind hat ja ein Recht auf sein Leben.
PS: Ich finde es nicht akzeptabel, dass Leute sich mit der Begründung, sie würden es nicht übers Herz bringen ihr Baby zur Adoption frei zu geben für Abtreibung entscheiden.So eine Einstellung finde ich sehr egoistisch.
Wusste gar nicht, dass es auch zu dem Thema einen Beitrag hier gibt...
Kleiner Beitrag als Denkanstoß zum Thema (ich denke, das ist ein Aspekt, der kaum in den Diskussionen mal auftaucht): Behinderte Kinder können auch mal alt werden. Nicht alle, aber es gibt Behinderungen — oder chronische Krankheiten, die schließe man hier in seine Gedankengänge besser auch ein -, mit denen man auch ein dezentes Alter erreichen kann.
Was ich meine, ist: Diese Kinder bleiben nicht für immer klein und für Erwachsene leicht handhabbar. Inklusive hält die Zeit bei den Eltern auch nicht an, diese werden auch mal alt und denen schwinden die Kräfte... Bei dem Thema wird viel über »Kinder« im Sinne von Lebewesen, die dem Kindchenschema unterliegen, referiert, und gemäß dem instinktiven Impuls argumentiert, den das auslöst, aber das stellt ja nur einen zeitlich begrenzten Abschnitt ihres Lebens dar. Diese
LebewesenMenschen bleiben ja nicht für immer klein und niedlich, sie sind irgendwann auch mal »erwachsen« im körperlichen Sinne.Auch dann muss man die Entscheidung, dieses Kind zu bekommen, als Eltern immer noch tragen und dem gerecht werden können. Genauso wie bei einem gesunden Kind, welches als Erwachsener (in der Regel) von Zeit zu Zeit Rat und Unterstützung bei seinen Eltern sucht.
Meine Tochter war vor vor einem Jahr in dieser Situation. Nach Nackenfaltenmessung, Bluttest und Fruchtwasseruntersuchung die Diagnose: Trisomie mit wahrscheinlichen Organstörungen. Sie hat sich dann für einen Abbruch in der 15. SSW entschieden.
Ich — aus Bayern, katholisch, schon immer Abtreibungsgegnerin — habe diese Entscheidung sofort akzeptiert.
Ich bin sehr traurig darüber aber es ist einzig und alleine die Entscheidung der Eltern.
Niemand macht sich diese Entscheidung leicht.
Darf ich hierzu noch einen Fall aus unserem Dorf erzählen:
Ein Mädchen mit Down-Syndrom wurde liebevoll von Ihren Eltern betreut. Die Mutter ist vor 15 Jahren verstorben, der Vater betreute sie weiter. Das Mädchen, mittlerweile eine Frau, bekam frühzeitig Demenz (ist bei Down-Syndrom häufig) und war sehr schwierig zu betreuen, beschmierte z.B. die Wände und Gegenstände mit ihren Fäkalien. Der Vater ist mit 83 Jahren zusammen gebrochen (die Tochter war mittlerweile 53) und wurde in die Psychiatrie eingeliefert.
Die Geschwister haben sich um einen Heimplatz bemüht und dies wurde überall abgelehnt (so viel zu staatlichen Hilfen) und ließen dann die Schwester ebenfalls in die Psychiatrie einweisen. Dort ist sie dann nach einer Woche verstorben. Ich denke, sie hatte nicht viel vom Leben und hat das Leben ihrer Eltern auch noch verbraucht.
@Resi
Danke, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns geteilt haben!
Es wird in Deutschland eben viel geredet und mit Etiketten (divers, Inklusion etc.) geworben, wenn es aber auf konkrete Hilfe ankommt (die eben auch Geld kostet!), wird sich leider auch vielfach weggeduckt.
Wer heutzutage noch Kinder in die Welt setzt, macht sich m.E. mitschuldig, wie mit vielen anderen Dingen auch.