Alles ist Meinung. Das Streben nach Objektivität und das Ideal der Versachlichung und Neutralität ist ein demagogischer Schachzug, um das ideologische Denken hinter den Aussagen zu verstecken. Jetzt werden vielleicht einige einwenden, dass die Wissenschaft der Forschung verpflichtet sei und demnach zumindest versuche, objektiv und empirisch vorzugehen. Schließlich wird jedem Studenten einer Sozialwissenschaft nahegelegt, im Laufe seines Studiums stets empirisch, objektiv und wertfrei zu sein. Andere werden vielleicht behaupten, meine These sei zu radikal und ich versuche eh nur das Meinungsbloggen hochzuschreiben. Mag sein.
Dennoch: ob Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Ökonomen oder »Experten«, sie alle haben eigene Interessen, Weltanschauungen und ein Bild vom Menschen. Kein Mensch ist frei von Ideologie und damit von Meinung und Meinungsmache. Alles Handeln, Denken und Entscheiden wird von den eigenen Werten und Normen bestimmt.
Der Soziologe Sebastian Herkommer definiert den Begriff der Ideologie auf sechs verschiedene Arten (Sebastian Herkommer. Ideologie und Ideologien im nachideologischen Zeitalter. Supplement der Zeitschrift Sozialismus 4⁄99. S.9):
- Als materieller Prozess der Produktion von Ideen, Überzeugungen und Werten.
- Als Ideen, die sich an die Lebensbedingungen und – erfahrungen von sozialen Gruppen, Schichten oder Klassen heften.
- Als Ideenkomplexe, die angesichts anderer, oppositioneller oder konkurrierender sozialer Gruppen die der eigenen propagieren und legitimieren sollen.
- Als Legitimierung der Partialinteressen von Herrschenden.
- Als absichtliche Täuschung und Verzerrung von Tatsachen im Interesse der Beherrschung.
- Als Mystifikation, die aus der materiellen Struktur der Gesellschaft herrührt, wie beispielsweise der Fetischismus der Waren- und Arbeitswelt.
Ideologie ist eben nicht nur politische, sondern eben auch wirtschaftliche, und gesellschaftliche Wirklichkeit. In jeder Pore des Alltags, in jedem Gedanken und in jedem Handeln steckt ein Tropfen von der eigenen Weltanschauung und dem eigenen Menschenbild. Ideologien und Lebenswelten sind untrennbar miteinander verbunden. Insofern ist es systemstabilisierend, wenn über politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Veränderungen oder Reformen gesprochen wird, ohne das Menschenbild, die Weltanschauung sowie die Werte und Normen dabei zu hinterfragen. Objektivität gibt es nicht. Alles ist Meinung.
Objektivität ist die Wahnvorstellung, Beobachtungen könnten ohne Beobachter gemacht werden.
- Heinz von Foerster, Anhänger des radikalen Konstruktivismus
Hihi. Dem stimme ich gerne zu. Übrigens auch danke für den Gebrauch der »Lebenswelten« ;-) Es waren schließlich die Sozio- und Wirtschaftswissenschaftler, die ganz objektiv behauptet hatten, dass sich diese »Lebenswelten« bis ins kleinste menschliche Gefüge systemisch »objektiv« beschreiben- und deshalb innerhalb einer Systemtheorie behandeln lassen. Der Rest der sozialen Berufe (und inklusive der Psychologen) ist dem schnellstmöglich gefolgt. (Wobei die letzteren mehr ihre kleinen Arbeitssystematiken darunter verstehen ). Der größtmögliche logische Fauxpas der möglich ist. Etwas »objektiv« zu beschreiben, was durch seine Vielfalt keinerlei System schließen lässt. Und nur geschlossene Systeme sind, zwecks ausreichender Informationsgrundlage objektiv beschreibbar. Damit hampelt die Wissenschaft bis heute, mit Objektivität über immer sensibler werdende Differenzierungen auf den äußeren Makroebenen herum, wo jede einzelne davon glaubt, sie wäre der Weisheit letzter Schluss. Dabei kommt das Gleiche heraus, wie vor dieser systemischen Sicht. »Alles ist Meinung«. Nur eben jetzt als Objektivität verkauft. Und mit einer kliztekleinen, aber nicht unbeträchtlichen Separationsmöglichkeit.
Alle Bäume im Wald, glauben sie wär’n der Wald. Die systematische Sicht auf diese Lebenswelt, — ergibt Holz.
(Jedenfalls, solange Sozio- und Wirtschaftswissenschaften zusammenarbeiten.
Noch ein kleiner Nachtrag. Das dies die Geburtsstunde der »objektiven« Experten war, und das gleich massenhaft für jeden Geschmack, aber fürs immer gleiche Holzgeschäft, — hat einen besonders schönen Beigeschmack.
Hallöle!
Wer nur seine »Meinung« zum Besten gibt, dem brauche ich eigentlich schon nicht mehr weiter zu hören: was Richtiges, Wahres, Zutreffendes kann ja dann gar nicht mehr herauskommen. Pluralismus eben — jeder hütet seinen »Meinung« wie einen Augapfel, wie einen Besitz! Sinnlos, sich mit so jemandem noch zu streiten, will der doch bloß SEINE Meinung bewahren, verteidigen und PRÄSENTIEREN...
Was ist eigentlich die ach so tolle Meinungsfreiheit wirklich? Sie ist ein Herrschaftsmittel. Denn bei jeder staatlichen Erlaubnis sind von vorneherein Grenzen gesetzt. Die Lizenz schließt das Verbot (gewisser Meinungsinhalte) zwingend ein! Und: die Meinungsfreiheit wird stets so eingehegt, wie es der Staat als nützlich ansieht.
Aber wer braucht wirklich eine *Lizenz* zum Denken und Sprechen? Was für eine Anmaßung des Staates darin steckt, das Denken und Meinen zu erlauben! Dafür brauche ich keinen Staat!
Zur Meinungsfreiheit gibt es einen genialen Vortrag:
- „Freiheit der Meinung und der Wissenschaft – Gleichheit“ (Dr. Peter Decker, Nürnberg) > http://doku.argudiss.de/data/freiheit_gleichheit_solidaritaet_nbg_1.mp3
Das Schlimme an der Meinungsfreiheit ist, nebenbei bemerkt, ihre praktische Folgenlosigkeit, denn: man darf eben nur MEINEN, aber daraus keine Handlungen ableiten (im Sinne: wir denken uns eine schöne arbeitsteilige Planwirtschaft zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung aller…).
Entscheiden, das ist etwas für die demokratisch legitimierte Bundesregierung und die zuständigen Minister, auch das BVerfG hat hier definitiv zu sprechen — und nicht Ihr oder ich. So geht es eben in Herrschaftssystemen zu, auch in dem, das sich demokratisch schimpft.
Die eigene Meinung kundzutun (Demonstration, Protest) ist in der Demokratie nur solange erlaubt, wie es wirkungslos bleibt! Es herrscht schließlich nur MEINUNGSfreiheit in der Demokratie: die Freiheit jede Meinung zu äußern, solange man auch alle anderen Meinungen als gültig akzeptiert – alle Meinungen gelten dann gleich, sind also gleich gültig und damit gleichgültig… bis auf eine, die „Meinung“ der Staatsgewalt, die sich per ebendieser auch durchzusetzen weiß und Anspruch auf PRAKTISCHE Gültigkeit erheben darf. Während die Untertanen nur „mal meinen“ dürfen – OHNE praktische Konsequenz. Das ist eine Gewalttat gegen den eigenen Verstand: zu denken, aber nicht danach handeln zu DÜRFEN, ist eine Selbstbescheidung, die WEH TUT… Demokratie (Herrschaft) macht die Untertanen tatsächlich OHNMÄCHTIG…
Der senkrechte Schluss daraus wäre also Feindschaft zu einer Struktur, die uns als Abhängige und Ohnmächtige hält — statt bittstellerisch an die Mächtigen heranzutreten. Das ist daher ein Fehler, da die Herrschenden nur im eigenen Interesse entscheiden. Den Mächtigen haben »wir« GAR NICHTS vorzuschreiben, das machen die schon selber — und zwar zu ihren eigenen Zwecken, nicht FÜR UNS! Daher verbieten sich Petitionen an die Mächtigen.
Weshalb ist Dummheit so verbreitet? Weshalb gibt s so wenig Wissen und so viel Meinung? Es gibt erst einmal keine »dummen Massen«, sondern Menschen, die falsche Urteile gefällt haben, zum Beispiel faschistische, demokratische oder nationalistische. Das ist meist Ergebnis der Zurichtung dieser Menschen in den Bildungsanstalten, wo ihnen die Ideale zu diesem „unseren“ Laden beigebogen werden und die Leute sich die Propaganda einleuchten lassen (hauptsächlich dient die Schule daneben natürlich der Selektion für die spätere Hierarchie in Gesellschaft und Beruf).
Kein Mensch kommt (von geistiger Behinderung abgesehen) als »dumm« in die Welt. Jeder Mensch hat einen Denkapparat, der des logischen Denkens mächtig ist. Dumm ist ein Mensch deshalb nicht dann, wenn er etwas nicht weiß, sondern nur, wenn er sich dem weiteren Wissenserwerb verweigert und sich Argumenten gegenüber verschließt. Und solche Menschen in Massen könnte man dann durchaus als »dumme Massen« bezeichnen — was ich aber nicht getan habe und hiermit auch nicht tue. Ich will sie nämlich AUFKLÄREN, nicht beleidigen. Und natürlich ist Dummheit keine feste »Eigenschaft« eines Menschen, sondern vielmehr eine TÄTIGKEIT — das Verweigern des logischen Denkens und das Verweigern der Aufnahmebereitschaft für Argumente...
Schade, wer mit »meine Meinung lasse ich mir aber nicht nehmen« auf das Angebot auf Aufklärung reagiert — schließlich kann ohnehin niemand jemand anderem seine Meinung wegnehmen (wie denn das?). Aufklärung zu betreiben, im Streit herauszufinden, was richtig und falsch ist (und nicht »jedem seine Wahrheit« lassen!), das ist doch die einzige Möglichkeit, um aus diesem Irrenhaus einen Ausgang zu finden. Sich hinzustellen und zu sagen: »Das ist aber nur DEINE MEINUNG« — so kommen wir nicht weiter. Sich von jemandem etwas erklären zu lassen ist kein Schaden, das nimmt einem nichts weg — man ist hinterher nur schlauer. Das Angebot, etwas erklärt zu bekommen, benötigt allerdings eine vorhandene Bereitschaft dafür. Als ob Menschen untereinander nicht *ausdiskutieren* könnten, was richtige und was falsche Urteile über die Welt sind!!! Natürlich geht das über die meisten Fragen durchaus. Man muss sich nur der Anstrengung annehmen!!! Es ist aber anscheinend bequemer, von 6 Milliarden „Wahrheiten“ („Meinungen“) auszugehen – bequem letztlich nicht für diejenigen Untertanen, die so denken, sondern bequem für die Herrschenden. Da kann der Kapitalismus noch so schonungslos in seiner Menschenfeindlichkeit erklärt werden – wen juckt’s, das sei halt auch bloß eine „Meinung“, noch dazu von pösen, pösen Marxisten…
Grüßle
Ray
P.S.: Wer sich mal gefragt hat: „Dummheit – wie geht das und was ist das eigentlich?“ Der darf gerne einmal beim inzwischen verstorbenen Radikalaufklärer Dr. Karl Held (ehemals MG bzw. GegenStandpunkt) hineinhören:
-„Dummheit — Vom berechnenden Gebrauch der Intelligenz“ (April 1984, München, Dr. Karl Held) > http://doku.argudiss.de/?Kategorie=MuI#88
Trefflich geschrieben.
Es gibt übrigens in der Hirnforschung einen neuen Bereich, den ich hier einmal vorstellen will — Die moderne Bewußtseinsforschung
Ein Vertreter davon ist z.B. Thomas Metzinger, der in seinem Buch »Der Ego-Tunnel — Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik« in dieselbe Bresche schlägt, jeder mehr generell gesehen — nicht allein auf Ideologien bezogen.
Fazit:
Wer eine eigene Meinung haben will, der müßte es wie einst Robinson Crusoe tun, und eine einsame Insel — ohne einen gewissen »Freitag« — bewohnen, und ohne Medienkontakt zur Außenwelt.
Obwohl? Wenn ich es recht bedenke? Wurde nicht auch Robinson Crusoe schon erzogen — mit der damaligen Weltanschauung?
Ergo, ist auch diese Lösung keine.
Oder?
Gruß
Bernie
Da zwingt sich mir die Frage auf, was ist mit Computern oder Programmen?
können die Neutral sein?
»Ich denke nicht, Tim!« Al Borland-Hör mal wer da Hämmert
Dumm ist ein Mensch deshalb nicht dann, wenn er etwas nicht weiß, sondern nur, wenn er sich dem weiteren Wissenserwerb verweigert und sich Argumenten gegenüber verschließt.
Wenn Sie sich noch beantworten warum Menschen das tun, wird Ihnen vielleicht ein Licht aufgehen, wie wenig rational die Gesellschaft in Wirklichkeit doch ist.
Das trägt wesentlich zur Entspannung bei, wenn man merkt, das es kein PLAN sondern Unfähigkeit ist, die in den Abgrund führt.
Dass es Objektivität im ehemals phantasierten Sinn nicht mehr gibt (genauer: Es Objektivität nicht mehr gibt) ist in vielen Wissenschaften einigermaßen klar geworden. Das Problem ist, dass Objektivität zu einem lebensweltlichen Sinnpartikel wird und dort nicht einem wissenschaftlichen Ethos begegnet, sondern dem Wirrwar an unreflektierten Meinungen und überall eingebaut wird, für nichtwissenschaftliche Interessen. Objektivität ist in der Lebenswelt angekommen: überall wo es mir sinnvoll scheint, bezeichne ich meine Meinung als objektiv, beziehe mich auf als objektiv bezeichnetes usw. Die Wissenschaft selbst (die Wissenschaft als solche gibt es natürlich nicht) endet im Konstruktivismus, sie kann damit aber selbst immer schwieriger wissenschaftliches von nichtwissenschaftlichem unterscheiden (und eigentlich gibt es keinen Unterschied mehr zwsichen politisch und nichtpolitisch, weil alles (vom Klogehen über Treppenstiegen und Prduktwahl bis zu Hegel, Godard, Quantenphysik, Facebook Welterschließungskonstruktion ist). Die Lebenswelt muss noch vollständig verwissenchaftlicht werden. 7 Milliarden Wissenschaftler auf der Erde, die alle wissen, dass ihr wissenschaftlicher Lebensvollzug eigentlich Illusion ist. Der Umgang mit der Wissenschaft ist zu dem geworden, was für uns heute das Handwerk geworden ist: jeder kann was hämmern, was schneiden, was kleben usw. Das müßte in einer grandiosen Horizontalität der Menschen enden. Man bemerkt ja aber, dass sich auf dem Weg in diese Richtugn faktisch unter der Hand gewaltige Vertikalen aufstellen. Das müßte wissenschaftlich eruiert werden, vorher kann die Wissenschaft nicht in ihre Wahrheit treiben und Zeit für anderes frei werden.