Deutschland ist seit neun Jahren im Krieg mit Afghanistan. Abgesehen von Anschlägen und toten deutschen Soldaten (mittlerweile sind es um die 40) erfahren wir durch die bürgerlichen Medien wenig über das, was vor Ort geschieht. Mittlerweile ist das Thema aus der öffentlichen Debatte nicht mehr wegzudenken. Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßman hatte den Afghanistankrieg scharf verurteilt. Als Anfang April drei deutsche Soldaten in Afghanistan getötet wurden, betonte Verteidigungsminister Guttenberg dass sie »für uns gestorben« seien. Nun hat vor einigen Tagen Bundespräsident Horst Köhler gesagt, dass Kriege für »freie Handelswege«, also aus wirtschaftlichen Interessen heraus, legitim seien.
Wielange wird der Afghanistankrieg noch dauern? Werden wir eine Radikalisierung deutscher Außenpolitik erleben, die für wirtschaftliche Interessen weltweit Kriege führen wird? Ist der Krieg überhaupt zu gewinnen?
epikur sagt:
Ich glaube nicht, dass der Krieg in Afghanistan zu gewinnen ist. Die Briten und die Russen haben sich jahrelang die Zähne an Afghanistan ausgebissen, bis sie schließlich aufgegeben, d.h. sich aus dem Land zurückgezogen haben. Die afghanische Kultur, falls man sie so bezeichnen darf, ist durch und durch eine Widerstandskultur, die sich nicht beherrschen lässt. Zu diesem Punkt finde ich die These vom Friedensaktivisten Tobias Pflüger interessant, der meinte, dass die NATO intern schon zugegeben hat, dass sie diesen Krieg militärisch nicht gewinnen kann. Der Krieg aber dennoch weitergeführt wird, weil die NATO mit ihm ihre Zukunft als Organisation verknüpft. Ein Land in die Steinzeit zu bomben und tausendfach Menschen zu töten, nur um ein Kriegsbündnis am Leben zu erhalten, ist nicht nur absurd, sondern reichlich pervers.
Was mich dennoch stutzig macht, ist die Tatsache, warum es sowenig Proteste in Deutschland gegen diesen Krieg gibt? Allen Umfragen zufolge ist die überwiegende Mehrheit gegen diesen Krieg. Bei den Antikriegsdemos, die es wahrlich noch gibt, treiben sich nur ein paar tausend Leutchen rum. Das war beim Vietnam- oder auch beim Irakkrieg 2003 noch ganz anders. Was ist heute nur los mit den Menschen?
Interessant ist auch, dass die US Army bei Flickr unter dem Begriff »Afghanistan« jede Menge Bilder reingestellt hat. Natürlich nur Bilder, die den Krieg als ein sauberes Abenteuer verherrlichen.
todesglupsch sagt:
Der Krieg in Afghanistan hat jedwede nachvollziehbare Legitimation verloren. Der geringere Widerstand in unserer Bevölkerung rührt daher, wie ich vermute, dass im Gegensatz zum Einmarsch im Irak, der Einsatz in Afghanistan nicht als Invasion propagiert wurde sondern neben der Tatsache, dass irgendwelche Terroristen gejagt würden, die Zivilbevölkerung von der durch die Truppen gewährleisteten Sicherheit und deren Aufbauhilfe profitieren würde. In vielen Jahren mussten wir nun miterleben wie die Sicherheitslage von Jahr zu Jahr schlechter denn besser wurde und infolge dessen der Aufbau kaum vorrangeht und letztendlich auf einem instabilen Fundament beruht. Auch die Bekämpfung des Terrorismus hat keinerlei Relevanz, einerseits ist dieser völlig ungebunden von nationalen Grenzen und andererseits ist das direkte Vorgehen mit einer kompletten Armee gegen Terroristen vermutlich komplett kontraproduktiv, da werden mehr überzeugte Feinde geschaffen als die Armee schlächten kann.
Nicht zu vernachlässigen ist der Reichtum an Ressourcen der in Afghanistan noch völlig unberührt auf Ausbeutung wartet. Solange aber Afghanistan an Korruption und Instabilität leidet sind diese relativ unerreichbar für die Nationen die hinter der NATO stehen.
jtheripper sagt:
Das Thema Afghanistankrieg wird von den Medien auch weiterhin sehr jungfräulich behandelt. Sicher gibt es mal eine Talksendung oder die Berichte über die gefallenen deutschen Soldaten, aber im gleichen Atemzug wird ja immer wieder versucht, das Scheitern des Einsatzes zu verschleiern oder ihn immer noch als notwendig hinzustellen. Klar, das die Leute in einer Umfrage gegen den Krieg sind, er ist ja nun mal nichts schönes, aber die genauen Ziele des Einsatzes und damit die Erkenntnis der Sinnlosigkeit dürfte den meisten wiederum nicht mehr so klar sein. Aber das ist ja auch beabsichtigt. Somit muss weiterhin aufgeklärt werden, damit der Protest größer wird.