Ich werde sterben. Irgendwann ganz sicher. Soviel steht fest. Eigentlich bräuchte ich mir jetzt keine Gedanken darüber zu machen. Denn ich bin gesund und fühle mich gut. Dennoch wird jedem von uns dieses Schicksal erreichen. Jedem! Also auch mich. Im folgenden ein paar Gedankenfragmente dazu.
Die Mittelalter Rockband Subway to Sally bringen in ihrem Lied »Grabrede« die Thematik gut auf den Punkt:
Wenn unsre Schädel einst ins Leere glotzen sieht man uns nicht an wer Sieger, wer Verlierer war wer armer oder reicher Mann was wir dann sind, ist ungewiss wahrscheinlich bleibt nur Finsternis. [...] und schreiben sie dir auch goldene Letter auf Granit: du nimmst nichts mit!
Selbst mit dem Tod endet die funktionale Profitverwertung des Menschen nicht. Mit Toten werden vortreffliche Geschäfte gemacht: Begräbnisse, Grabsteine, Grabpflege, Grabmieten, usw. Gebühren und Kosten gibt es z.B. für die Grabnutzung, die Urne oder den Sarg, Blumenschmuck, Trauerkleidung, den Redner, Gebühren für Behörden und Kirche usw. Hinzu kommt, dass es in Deutschland eine Bestattungspflicht gibt. Angehörige des Verstorbenen sind hiernach verpflichtet für die Bestattung zu sorgen, selbst wenn sie das Erbe ausgeschlagen haben oder es keine sozialen Kontakte zu dem Verstorbenen gab. Die Angehörigen bleiben bestattungspflichtig. Wer dazu finanziell nicht in der Lage ist, kann die Bestattung beim Sozialamt beantragen, wird aber finanziell nicht restlos davon befreit. Nicht selten fallen ganze Familien, mit dem Tod eines Angehörigen, in den finanziellen Ruin.
Im Tod sind wir alle gleich. Still und leise. Trotzdem wird der Sozialstatus des Lebenden in den Tod übertragen. Reiche leisten sich prunkvolle Grabstätten, Arme bekommen namenlose Sozialgräber. Die »Nachfrage« nach Sozialgräbern ist in den letzten Jahren, durch die steigende Armut in Deutschland, rasant angestiegen. Viele können sich normale Bestattungen nicht mehr leisten. Rund drei Millionen Euro jährlich gibt das Land Berlin für Sozialbestattungen aus, weil sich viele Angehörige die Bestattung nicht mehr leisten können.
Die kapitalistische (Weiter-)Verwurstung von Verstorbenen, ist für mich pietät- und würdelos. Ich plädiere voll und ganz dafür, dass Bestattungen aus Steuermitteln bezahlt werden sollen und das alle die gleiche würdige Bestattung erhalten. Im Tod sind wir alle gleich arm. Und egal wohin die Reise für uns alle nach dem Tod hingehen wird, wir nehmen garantiert nichts an materiellem Reichtum mit. Die finanzielle Ungleichheit und Ungerechtigkeit im Leben, sollte mit dem Tod enden und nicht fortgeführt werden. Deshalb lege ich persönlich auch gar keinen Wert darauf, einen wertvollen Grabstein oder ähnliches zu »besitzen«. Wer im Leben an mich gedacht hat, wird es auch tun, wenn ich tot bin. Dazu ist kein Grab nötig, an dem regelmäßig meine Angehörigen hinpilgern. Vergoldet ein 10.000 Euro Grabstein meinen Tod?
Bildquelle:
Karin von flickr
Im Tod mögen wir gleich sein, aber nicht darin was wir über ihn und das Danach denken. Deswegen schaudert mir davor, dass man den Umgang mit ihm regeln möchte (für alle gleich würdig gestalten). Nach welchen Kriterien denn? Nein, das muss schon jeder selbst, bzw. dessen Angehörigen tun (selbstverständlich ist es nicht falsch jemandem unter die Arme zu greifen, der das nicht kann).
Ein Soldatenfriedhof zerstört und instrumentalisiert das Individuum vor allem durch seine Gleichförmigkeit. Warum sollte man so etwas auf »zivilen« Friedhöfen wollen? Und wäre es nicht eine Lüge, einen alten Mann und ein sechsjähriges Mädchen in ein völlig gleich gestaltetes Grab zu betten?
Das Individuum ist bereits physisch tot, da gibt es nichts mehr zu zerstören. Wenn Du die Seele, den Charakter, die Persönlichkeit des Individuums meinst — wird das für Dich durch ein Grab lebendig gehalten? Oder anders gefragt: möchtest Du die Individualität des Verstorbenen durch ein vermeintlich »individuelles Grab« aufrecht erhalten? Ist das Grab entscheidend für den Charakter eines Verstorbenen oder die Erinnerung, die man mit ihm verbindet?
Aber ja: Ein Grab steht für das zutiefst menschliche Bedürfnis nach Ausdruck. Gräber erzählen etwas über die Trauer der Hinterbliebenen, über den Verstorbenen, über sein Selbstverständnis, sie wollen Erinnern, und sind damit auch der verzweifelte Versuch über den Tod hinauszuweisen (und setzten sich damit auch mit diesem auseinander). Charakter, Individualität, Persönlichkeit, von mir aus auch »Seele« (nicht nur des Verstorbenen) spielen hier natürlich herein, und deswegen meinte ich oben auch, dass das Individuum zerstört wird, weil auf dem Soldatenfriedhof die Möglichkeit etwas Spezifisches ausdrücken zu können, bewusst negiert wird.
Ich meine damit nicht, dass das alle Gräber tun, und sie die einzige Möglichkeit sind, ich kann nur nicht nachvollziehen, dass man diese Art des Ausdrucks vereinheitlichen und damit zerstören will (sie allen zu ermöglichen, ist natürlich etwas anderes).
Ich bin vor einiger Zeit über den Wiener Zentralfriedhof spaziert, und erinnere mich noch gut an das Grab eines Mädchens: Wo üblicher Weise der Grabstein steht, befand sich eine sitzende Nachbildung der Verstorbenen, und daneben ihr Stofftier (und zwar tatsächlich eines aus Stoff); das Grab war noch nicht alt, hatte eine marmorne Fassung, und war mit weißem Kies ausgelegt. Man kann das mögen oder nicht, ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass dieses Grab aus einem Bedürfnis heraus geschaffen wurde, dass es etwas ausdrückt und erzählen will, und dass man daran teilhaben kann (und sich mitunter auch Dinge offenbaren, die die Urheber nicht im Sinn hatten).
War letzte Woche erst auf dem Friedhof und das einzigste was mit wirklich aufgefallen ist, war das mir alles so Unnatürlich vorgekommen ist. Alles voller glänzend polierter Steine in kitschigen Formen.
Meinem Empfinden nach ist ein Friedhof(den welchen ich kenne ist in Freiburg)ein toter Ort. Typisch auch diese schreckliche Symmetrie, überall kleine rechteckige Felder mit ner schön akkuraten Steinumrandung.
Ich ´schätze, dass das Wegfallen des Religiösen für viele von uns bedeutet, dass der Tod pragmatischer betrachtet wird, die Erinnerung an die Menschen gedanklich von ihren sterblichen Überresten getrennt. Trauerfeiern müssen nicht zwingend in einem zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang zur Beerdigung stehen, und um das Andenken eines lieben Menschen zu pflegen, muss man nicht automatisch die Pflege für die Verwahrstelle seiner sterblichen Überreste ritualisieren. Im Verwandtenkreis erlebe ich es immer wieder, dass gerade die, bei denen voraussictlich nix zu erben sein wird, sich unwohl fühlen bei dem Gedanken, dass ihr Ableben für die Hinterbliebenen zur finanziellen Belastung werden wird. Und das, obwohl sie selber kein Problem damit hätten, im Pappsarg verbrannt und anschließend irgendwo verstreut zu werden. Dass allerdings die Lobby hinter den deutschen Bestattungsgesetzen irgendwann nachgeben und eine Lockerung der Vorschriften hin in Richtung umweltgerechte Mindeststandards zulassen wird, werde ich wohl nicht mehr erleben. Und ich habe rein statistisch immerhin noch gut 40 Jahre auf der Uhr.
Interessante Überlegungen zum Tod! Danke! Die Erdbestattung war der letzte Wunsch von unserer Oma. Ich weiß nicht warum, aber wir alle möchten zurück in die Erde. Zur Erinnerung wurde ein Grabstein aus Granit mit einer kleinen Lieblinggravur von der Oma errichtet. Alles an einem Ort, was vom Menschen geblieben ist. Mir scheint, wir reden viel vom Tod, der kommt aber leise und unerwartet für uns. Danke für Anregungen zum Nachdenken.
@helga
Danke für Dein Kommentar!
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Ich bin arm, aber ich werde glücklich sterben. Ich brauche keinen polierten Grabstein, nur ein Stein mit einer Gravur: nämlich mein Tattoo. Hoffe, dass damit der Sozialstatus keine Rolle spielt.
Danke für diese Gedanken über den Tod. Ich möchte den Grabstein meines Großvaters besuchen. Dieser Artikel war eine Hilfe.