Die Behörden haben in Berlin einen Großteil der S‑Bahn-Züge aufgrund eklatanter Wartungsmängel aus dem Verkehr gezogen. Es mag auf den ersten Blick zwar weniger von überregionalem Interesse sein, wenn in Berlin ein paar Züge ausfallen, aber mag das ganze nicht nur ein Symptom von größeren Problemen, möglicherweise struktureller Art sein? Die S‑Bahn GmbH als Betreiber steht zwar medial in der Kritik und die Politik denkt über eine Neuauschreibung für den Betrieb des S‑Bahn Netzes nach, aber gibt es wirkliche Möglichkeiten Probleme in der Verkehrsinfrastruktur zu vermeiden, welche durch Rationalisierungsmaßnahmen entstehen und wenn ja, werden diese genutzt?
todesglupsch sagt:
Die DB als Betreiber des Berliner S‑Bahn-Netzes hat wenig zu befürchten, denn vermutlich gebe es wenig Konkurrenz bei einer Neuausschreibung, so dass dies wohl kaum Gewicht haben wird. Der Senat wird zwar dieses Jahr wohl einige Millionen weniger an die Betreiber überweisen, aber der Rationaliserungsdruck der vermutlich aufgrund der (Teil-)Privatisierung auf allen Unternehmen der DB lastet wird wohl dazu führen das dies billigend in Kauf genommen wird, bzw. vielleicht bereits einkalkuliert ist. Die systematische Vernachlässigung der Wartung ist jedenfalls kaum mehr zu leugnen und der Verdacht liegt nah, dass die Ursache im profitorienterten Handeln der Verantwortlichen zu suchen ist.
Öffentliche Infrastruktur muss aber zum Wohle Aller nachhaltig betrieben werden und anfallender Profit sollte zur Verbesserung und Erweiterung der Funktionalität dienen. Der Ausverkauf öffentlicher Strukturen ist nichts anderes als der Verkauf von Werten die unsere Vorfahren mit Ihren Steuergeldern finanziert haben. Nebenbei sind die eh bereits Benachteiligten erneut überproportional betroffen, denn wer es sich leisten kann ist nicht auf die Nutzung öffentlicher Infrastruktur angewiesen.
jtheripper sagt:
Wasn Glück, dass ich zur Zeit nicht S‑Bahn fahren muss. Ich denke Wartung, Pflege und Instanhaltung wird eh komplett unterschätzt. Das sehe ich auch in meinem Berufsfeld. Wenn ich für die Dienstleistung, die ich erbringe, Geräte und Technik benötige, so ist dies ja das Gründgerüst was für meine Leistung verantwortlich ist. Allerdings ist der direkte Nutzen von der Wartung nicht zu sehen und so wird der Bereich gerne für Kosteneinsparung genutzt. Bei der S‑Bahn gab es wenigstens Kontrollen, die das Ganze bemerkt haben. In anderen Unternehmen gibt es die nicht oder sie werden nicht beachtet.
epikur sagt:
Den neoliberalen Zeitgeist bekommen wir in Berlin beim Thema S‑Bahn gerade voll zu spüren: Profite privatisieren, Verluste sozialisieren. Da die S‑Bahn in Berlin zur notwendigen Nahverkehrs-Infrastruktur gehört, machen sich die Betreiber keinen Kopf um die Wartung der Züge. Der Senat wird im Notfall ja schon einspringen, so die Denkweise. Auch der Service ist mittlerweile Katastrophal geworden. Im Zuge von Sparmaßnahmen gibt es kaum noch Bahnhofsaufsichten, stattdessen diese komischen Info-Notruf-Säulen. Ich frage mich immer, wie das ist, wenn jemand in der S‑Bahn tödlich verletzt wird? Kraucht derjenige dann blutend zu solch einer Säule, drückt den Knopf und hört sich dann erstmal »Bitte haben Sie einen Moment Geduld« an?
Wer immer noch nicht kapiert hat, warum die S‑Bahn, die DB, Herr Mehdorn, die gescheiterte Privatisierung etwas mit dem »»Debakel««, eigentlich ist ja alles wie gehabt nur kommt die S‑Bahn etwas seltener, ist ein Idiot und hat die letzten Wochen keine berliner Zeitung gelesen.
Lieber Incontemptio,
außer einer Beschimpfung weist Dein Kommentar keinerlei inhaltliche Ergänzung auf. Du kannst das jedoch gerne nachholen und dann auch unter »Infos« oben rechts den Abschnitt »Kommentieren« Dir zu Gemüte führen. Danke :)
@Incontempio:
Ich kann leider die Aussage Deines Kommentares aufgrund deutlicher sprachlicher Mängel nur erahnen, aber vielleicht hier ein Zitat der aol-news zu den Ursachen der ganzen Problematik:
»Klar ist aber, dass der Druck des Bahnkonzerns auf seine Tochter S‑Bahn Berlin, gute Ergebnisse zu bringen, enorm war – daher sparten die S‑Bahn-Manager an allen Ecken und Enden. Aus dem internen Strategieprogramm „Qualify & Qualify Plus-Portfolio“ der Bahn vom August 2005, das WELT ONLINE vorliegt, geht hervor, dass Kürzungen bei der S‑Bahn wichtiger Bestandteil der Pläne für den Börsengang waren. Die Verringerung der Wartungsintervalle gehörte schon damals zu den zentralen Maßnahmen. «
link
oder auch:
http://www.ad-hoc-news.de/berliner-wartungsfristen-bei-der-s-bahn-wurden–/de/Wirtschaft-Boerse/Marktberichte/20379026
Es geht mir mit dem Beitrag primär auch gar nicht um den konkreten Fall in Berlin sondern um die Tendenz im Allgemeinen die sich dadurch ausdrückt, denn wie gesagt, der konkrete Fall ist für nicht Betroffene, also den größeren Teil unserer potentiellen Leser, gar nicht so relevant.
Ich denke auch nicht das die Unannehmlichkeiten die mir dadurch entstehen unerträglich wären (wobei ich denke das diese deutlich größer wären, wenn nicht gerade Ferien wären), aber ich befürchte die Ursachen dafür werden langfristig zu ernsteren Problemen führen und es passiert zu wenig um dies zu verhindern.
Um auf die Kernfrage zurückzukommen, ob es wirkliche Möglichkeiten gibt, Probleme in der Verkehrsinfrastruktur zu vermeiden, welche durch Rationalisierungsmaßnahmen entstehen...
Meine persönliche Antwort wäre schlicht und einfach:
Wenn Du merkst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!
Zu erwarten ist allerdings, dass sich die werten Entscheidungsträger zunächst für eine oder mehrere der 20 deutschlandweit gültigen Lösungsstrategien aussprechen werden. :-)
Jeder vernünftige Mensch, welcher die Grundrechenarten beherrscht muss doch erkennen, dass eine Privatisierung bei gleichen Leistungen nicht billiger werden kann. Um dies zu erreichen muss irgendwie gespart werden. Dazu wird mittelfristig immer wieder der Staat geschröpft. Wenn entlassen wird oder Ein Euro Jobber eingestellt werden zahlt der Staat die Resultate. Wenn weniger S Bahnen und mehr Autos fahren zahlt ebenfalls der Staat, da die Straßen häufiger gewartet werden müssen. Wenn es um Leistungen für den Bürger geht sollte der Staat sie übernehmen. Wozu gibt es ihn denn sonst?
Das ganze Dilemma ist ein Ergebnis des Denkens in der Kostenwelt. Die Manager von heute glauben, daß der Kuchen begrenzt ist und daß sie deshalb, um Gewinne zu realisieren, die Kosten unter allen Umständen drücken müssen. Dabei interessiert es sie überhaupt nicht, daß die eigentlichen Vermögen ihrer Firmen systematisch vernichten. Dieses Vorgehen haben wir bei fast alle Privatisierungen öffentlicher Unternehmen erlebt — hauptsächlich deshalb, weil die Entscheider dieser Unternehmen oft eher dem Angestelltendenken als dem Unternehmerdenken verhaftet sind. Wer als Beamter oder Angestellter die Welt erlebt, dem fehlt häufig einfach ein gewisser geistiger Horizont, der viele innovative Unternehmer auszeichnet. Wer es als Mensch grundsätzlich gewöhnt ist, nach den Vorgaben anderer zu handeln, von dem kann man kein unternehmerisches Denken erwarten. Unternehmerisches Denken bedeutet nämlich häufig, sich über gegebene Regeln hinwegzusetzen oder sie anders zu interpretieren.Da wir in Deutschland aber eine Bürokratenrepublik haben, wo eifersüchtig die Einhaltung von Regeln überwacht wird, fehlen hier die Menschen, die weiter als bis zu nächsten Gesetz denken.
Das Denken in der Kostenwelt ist inzwischen veraltet. Wir sollten eher an den Durchsatz denken, d.h. die Erträge der Unternehmen durch schnelleren Umschlag, mehr Passagiere bzw. Kunden und bessere Leistung erhöhen. Wenn Mehdorn, seine Vorgänger und Nachfolger fähig gewesen wären, in der Durchsatzwelt zu denken, hätten sie die Fahrpreise vereinfacht und verbilligt, die Fahrtgastzahlen und Fahrtgastkilometer damit dramatisch erhöht, den öffentlichen Personennahverkehr zu einer echten Alternative zum Auto ausgebaut und massiv in den Ausbau und der Erweiterung von Bahnhöfen und Strecken investiert. Mehdorn und Konsorten aber haben genau das Gegenteil getan. Sie haben die Fahrgastzahlen reduziert, Strecken und Verbindungen auf ein Mindestmaß abgebaut und die Infrastruktur verwahrlosen lassen. Damit die Dame Bahn für die Politiker hübsch erscheint, wurden ein paar geschönte Kulissen in das Sichtfeld der Politiker gefahren, in das Sichtfeld von Menschen, die eher in der 100.000,-EUR teueren gepanzerten Limousine unterwegs sind als mit der Bahn.
Das Ganze hat im Grunde wenig mit der Privatisierung zu tun. Das o.g. Phänomen finden wir in vielen Wirtschaftszweigen. Es liegt hauptsächlich daran, daß die innovativen Querdenker systematische ausgemerzt, bzw. ausgegrenzt werden. Vor einigen Tagen habe ich die phänomenale Doktorarbeit von Gregor Czisch »Szenarien zur zukünftigen Stromversorgung« gelesen. Dummerweise ist dieser Mann zur Zeit HartzIV-Empfänger, sein Knowhow wird sträflich ignoriert. Ganz einfach, weil er besser als der Durchschnitt ist. Im aktuellen Harvard Business Manager findet sich ein Artikel über Hochbegabte, der das bestätigt. Wir leben in einer Welt des von unten angenäherten Mittelmaßes und die Menschen, die es wagen, sich darüber zu erheben, erleben die ganze Macht der unterdurchschnittlichen Normalos! Wie können wir da erwarten, daß sich in großen Unternehmen und der Politik Menschen mit innovativer Weitsicht durchsetzen? Es setzen sich viel eher die dummen Machtmenschen durch. Wir haben es bei der letzten Bundestagswahl mit Paul Kirchhoff auch erlebt.Ohne auf die Inhalte seiner Vorschläge zu achten, wurde er von den Bildzeitungs-Normalos runter- und niedergemacht. Dabei waren seine Inhalte uninteressant, den ich halte sie auch heute noch für diskussionswürdig.
Unsere Regierung braucht sich nicht zu wundern, wenn wir in Deutschland immer mehr den Anschluß an die Weltspitze verlieren. Durchschnittliche Leistungen von beschränkten Bürokraten werden auch weiter dafür sorgen, daß Spiztenleistungen und Spitzenleister aus Deutschland abwandern.
Korrektur vorletzter Absatz:
Dabei weren seine Inhalte interessant, denn ich halte sie auch heute noch für diskussionswürdig.
Solche Gestalten wie Mehdorn gehen um des Profits willen über Leichen, denn nichts anderes ist es, wenn man notwendige Wartungsarbeiten aus Kostengründen unterläßt. Man riskiert Unfälle wie in Eschede. Symptomatisch beim Berliner S‑Bahn-Problem ist das Weg»rationalisieren« von Kostenfaktoren. Wegrationalisieren = Verdrängen = Vereinseitigen. Man kappt dann auch das Moment der Verantwortung.