Eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) besagt, dass knapp 800.000 Menschen in Deutschland regelmäßig Medikamente am Arbeitsplatz einnehmen. Insgesamt haben zwei Millionen schon einmal Medikamente am Arbeitsplatz eingenommen. Dabei handelt es sich vor allem um Anti-Depressiva, Beruhigungspillen und leistungssteigernde Medikamente. Interessant ist hierbei vor allem die Wortwahl der Berichterstattung: von der Studie selbst und der Presse.
So sprechen alle Medien vom »Doping am Arbeitsplatz« (Beispiele: Stern, die Zeit, tagessschau.de, Bild) Doping — das klingt wie die verbotene, unerwünschte Einnahme von Drogen, um seine Leistung zu steigern. Wie beim Sport. Doch die Einnahme von Medikamenten am Arbeitsplatz wird in der Presse und in der Studie selbst, weder verurteilt, noch negativ bewertet. Es wird lediglich deskriptiv darüber berichtet. Schließlich unterstreicht die Medikamenten-Einnahme, die kapitalistische Ideologie der »Leistungsgesellschaft«. Unerwünscht — im Sinne von: Die Lohnarbeit macht die Menschen zunehmend kaputt und deshalb greifen sie vermehrt auch zu Medikamenten — ist es ja eben nicht.
Die Berichterstattung indessen reduziert das Problem auf den Einzelnen (Stichwort: Eigenverantwortung) und thematisiert nicht die Struktur der Arbeitswelt mit ihren immer härteren repressiven Methoden. So sagt selbst der DAK-Chef Herbert Rebscher in der Tagesschau: »Männer frisieren ihr Leistungspotenzial, Frauen polieren ihre Stimmungen auf« — eine eindeutige Beschönigung auf den zunehmenden Druck der Lohnarbeiter, dem Mobbing und den repressiven Methoden am Arbeitsplatz. Die BILD begründet die Medikamenten-Einnahme z.B. damit, dass man ja nur »besser als die lieben Kollegen sein wolle«.
Schließlich reiht sich der Stern in die ganze verlogene Berichterstattung bei diesem Thema ein. Während »Doping« beim Sport unerwünscht ist, da er den Wettbewerbsgedanken verzerre und unverhältnismäßige Vorteile für wenige einräume, ist das »Doping« in der Leistungsgesellschaft ja kein Problem. Denn: »sollte es in Zukunft nicht erlaubt sein, die eigene Leistungsfähigkeit mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu steigern?«.
Es erklärt zumindest in unseren Führungsetagen so manches, wenn diese Typen auf Drogen sind. Aber es stimmt schon, wenn etwas schlecht ist für die Arbeitnehmer wird EIGENVERANTWORTUNG geschrien. Ist es schlecht für die Unternehmen »SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT«. Die Folgekosten für diese Ausbeutung und das ist ja eine zusätzliche Frechheit, zahlen die Ausgebeuteten. Nicht nur mit ihrer Gesundheit sondern auch mit den Krankenkassenbeiträgen. Eine heile Welt.
Hallo Markus,
lies doch mal http://www.wiwi.uni-bremen.de/seari/arbeitssucht.pdf . Ein Blickwechsel öffnet neue Perspektiven. Arbeitssucht ist eines der Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Und das mit Grund.
Angst vor dem Versagen, Überforderung, Schamverletzungen... Arbeitssucht.
Ich werte die unterschiedlichen Reaktionen mehrheitlich als verharmlosend bis leugnend.
Kennst Du das erweiterte Suchtmodell? Nicht nur Menschen, sondern auch Organisationen aller Art (bis zum Staat hin) können suchtkrank sein (z. B. Sexsucht (in) der katholischen Kirche). Die Medien sind selbst »suchtkrank«.
Gruß
Bernhard
Der Blocksatz ist gruselig.
Hallo Bernhard!
Woher kennst Du meinen Vornamen? ;)
Auf den Fetisch Arbeit wollte ich hinaus.
Was findest Du am Blocksatz so gruselig? Ich mag ihn :)
Hallo Epikur (lieber so?*),
Das mit dem Fetisch ist doch etwas verharmlosend! Denke bitte daran, dass die Süchtigen** andere mißbrauchen, nicht nur sich selbst, sondern auch andere.
*Personen, Unternehmen, Staat...
**Man liest doch gern seinen Vornamen, oder?
Gruß aus Krankfurt,
Bernhard
Tschuldigung, habe den Link nicht gelesen, ist schon spät. Hole ich nach, versprochen ‚-)