Nun gab es die große Abschieds- , Gedenk- oder Trauerfeier, je nachdem welche Begrifflichkeit einem hier am liebsten zusagt. Nur eine »Feier« sollte es schon gewesen sein. 35.000 Menschen seien ins Stadion von Hannover gekommen, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff und DFB-Präsident Theo Zwanziger hielten eine Rede. Zahlreiche Prominente und Vertreter zahlreicher Fussballverbände waren anwesend. Menschen trauern, zeigen ihre Emotionen, wenn Personen die in der Öffentlichkeit standen verstorben sind. Das war eben schon immer so. Was also gibt es daran zu kritisieren oder zu hinterfragen? Eine kleine Zusammenfassung wichtiger Gedanken hierzu.
1.) Roberto von Ad Sinistram hinterfragt im Artikel »Ein einziges Trauerspiel«, die Event-Unkultur der öffentlichen Trauer. Das Dabeiseinwollen, die Open Air-Trauer, das Event-Jammern, das Spektakel-Heulen seien eben vielmehr der Ausdruck nach der Sehnsucht von verbrüderten Menschen, die es im Ellenbogen-Alltag kaum noch gäbe. So sehr die Emotionen der Beteiligten auch echt seien, der Tod wird hier als Massenspektakel inszeniert.
2.) Der Kollege vom Spiegelfechter betont hierbei die Rolle der Medien. Der Sensationsjournalismus kenne keine ethischen Grenzen mehr. Besonders der sog. »Werther-Effekt«, der folgendes besagt:
»Suizide von Prominenten haben eine ggf. ernstzunehmende Sogwirkung, wenn darüber entsprechend berichtet wird. Dieser Effekt wird umso deutlicher, je bekannter, sympathischer und beliebter die durch eigene Hand verstorbene Person ist«
wird von den Medien kaltschnäuzig ignoriert. Auflage und Verkaufszahlen sind eben alles. Auch haben so gut wie alle Medien sich nicht an die Medienempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) orientiert, wenn es um die Berichterstattung geht. Auch finde keine ehrliche Auseindersetzung mit dem Thema Leistungsdruck der Fussballer und mit Depressionen statt.
3.) Roger von Nebenbei bemerkt stellt die These auf, dass die Betroffenheit vieler Menschen vor allem auch deshalb so stark ist, weil Enke als »Leistungsträger« der Gesellschaft galt. Als ein sozioökonomisches Ideal-Vorbild, der doch augenscheinlich alles hatte, was jeder von uns auch haben will. Diese bürgerliche Schein-Sicherheit sei mit dem Suizid zerschlagen worden und dies sei mit eine Ursache für die große Betroffenheit der Menschen.
Ich möchte niemandem seine Trauer vorenthalten oder ihm gar bescheinigen, seine Emotionen seien nicht echt, wenn es um Enke geht. Dennoch sieht für mich ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Tod eines Menschen anders aus. Wieder einmal wird nur an Symptomen gerührt, aber nicht an der Wurzel. Der Leistungsdruck der Spieler wird nicht abnehmen, die Medien werden beim nächsten Todesfall eines Prominenten die gleiche unethische Herangehensweise zelebrieren, die Fans werden weiterhin jede Schwäche eines Fussballspielers gnadenlos bestrafen und damit den Leistungsdruck der Spieler erhöhen, die ärztliche oder gar arbeitgeberliche Akzeptanz von Depressionen wird weiterhin gering ausfallen usw. Alles ist Unterhaltung, ein Event, eine Feier. Das Leben ein großer Freizeitpark. Alibihandlungen und Symbolpolitik halten den Status Quo aufrecht und vermitteln eine Illusion der Veränderung. In einer Woche kräht kein Hahn mehr danach — bis zum nächsten Suizid.
NACHTRAG:
Harald vom Blog Lumperladen hat die »Event-Trauerkultur« nochmals unterstrichen, indem er darauf hinweist, dass viele vermeintlich Trauernde beim letzten Abschied Beifall geklatscht haben.
Für mich ist die gesamte Medien-Inszenierung der Trauerfeier ebenso die Heuchelei pur. Wieso musste das übertragen werden? Ich möchte nicht wissen, wie die Auflagenzahlen und Quoten der Verlage und Medienanstalten in die Höhe geschossen sind inden letzten Tagen. Für mich ist nicht das Problem die Trauer an sich und wie sich die Menschen verabschieden, sondern das man mit so etwas Profit macht und darüber hinaus eben auch die o.g. Probleme verschweigt und in zwei Tagen wieder fragen wird »Wieso bringt er die Leistung nicht, die er sollte?«
In einer Gesellschaft, die keine Schwächen akzeptiert, wird der Tod oder schon das Versagen eines Menschen immer ein Event und eine Schlagzeile sein, um von der eigenen Unzulänglichkeit abzulenken.
Doch sollte man sich auch fragen, wie oft man im Bekanntenkreis schon gemeint hat »Hab dich doch nicht so ... wenn man nur will, kann man!« Ist man nicht schon sehr oft unbewusst an dem Punkt, wo man Druck auf einen anderen Menschen erzeugt? Wie weit kann man sich vom im Beitrag zu recht kritisierten Praktiken der Insztenierung und dem Umgang, wirklich distanzieren?
Ich würde gerne etwas sinnvolles hinzufügen. Aber bei dieser Todes-Event-Kultur mit medial grinsend-tiefernsten Gesichtern, die Betroffenheit ausdrücken sollen, — bleibt mir nur die Spucke weg. Ich könnte hier meinen Ekel beschreiben, den ich bei dieser Vorzeigepietät empfinde. Aber das will ich jedem ersparen. Jedem »ehrlich« trauernden dagegen, wünsche ich von ganzem Herzen seine Ruhe dafür, — oder »ehrliches« Mitfühlen.
Robert wer?, bisher kannte ich ihn nicht, auch nicht die »in kriegsähnlichen Zuständene« gestorbenen Bundeswehrsoldaten, deren Beisetzung der Öffentlichkeit eher peinlich war. Bei Robert Enke fällt mir eher ein, dass er im Bewustsein seiner schweren psychischen Störung ein Kind adoptiert hat — für mich war das verantwortungslos. Für seinen Freitod wählt er einen Zug, dessen Zugführer nun mit der schlimmen Erfahrung, nähmlich der Tötung eines Menschen, wenn auch unverschuldet, zurecht kommen muss.
Pingback: Mein Politikblog
Auch wenn ich sonst gerne zustimme, wie böse alle Medien sind, so habe ich doch auf dem rbb ein recht gutes Interview mit einer Psychologin zum Thema der Depressionen von Enke gesehen. Hier wurde natürlich auch das Bild der Krankheit in der Öffentlichkeit angesprochen. Solche Beiträge finde ich genau richtig, da nur so die allg. Meinung über die Krankheit geändert werden kann.
Die große Frage, die mir noch eingefallen ist: Hätte Robert Enke dieses Spektakel gewollt?
Vermutlich nicht. Sein Wille, wenn man so möchte, wird nicht erfüllt. Kritische Geister könnten diese »Trauer-Event-Kultur« dann wohl eher als Respektlosigkeit gegenüber Robert Enke deuten.
Mich nervt es, 6 Tage lang Robert E. als Tagesthema in allen Nachrichten zu hören. Wie kann das sein?
Während dieser Tage sind bestimmt wichtigere Dinge passiert. Wollen die Medien davon ablenken?
Und gestorben ist in dieser Zeit bestimmt auch der eine oder andere Mensch, um den jemand trauert.
Medienzirkus pur -
Trauer-Event-Kultur... mmmhh, da ist sicher auch was dran, ich finde es sollte nun genug sein, sonst kommen die Angehörigen und auch der Zugfahrer nie zur Ruhe...
Pingback: Zwanziger: Rangnicks Offenheit Lehre aus Fall Enke