»Die DDR verweigerte ihren Bürgern die grundlegenden demokratischen Rechte, sie machte Oppositionelle mundtot, und schreckte in Einzelfällen nicht einmal vor Mord und Verschleppung zurück. Sie war ein Unrechtsstaat!«
- Alt-Bundespräsident Roman Herzog am 26. März 1996
Als ein »Unrechtsstaat« wird deskriptiv zunächst ein Staat bezeichnet, der kein Rechtsstaat ist. Während der Terminus Rechtsstaat klar definiert ist (Gewaltenteilung, unabhängige Gerichte, Grundrechte usw.), ist der Begriff des Unrechtsstaates ein schwammiger abwertender und nicht juristischer Begriff. Er wird politisch und medial instrumentalisiert, um einem Staat bzw. Regime einen negativen Stempel aufzudrücken.
Einen Begriff zu definieren, indem man sagt, was er nicht ist, offenbart seine propagandistische Verwendung. Eine negative Konnotation wird damit quasi automatisch erzeugt, da der Begriff nur aussagt, was nicht ist und nicht, was ist. Der Terminus ist somit deontisch aufgeladen, d.h. er fordert die Schaffung eines Rechtsstaates.
Vor allem Diktaturen werden häufig als »Unrechtsstaaten« bezeichnet. Sog. »Schurkenstaaten«, die DDR und der Nationalsozialismus in Deutschland bekommen oft dieses Attribut. Die politische Instrumentalisierung des Terminus kann beim Umgang mit der DDR gut beobachtet werden. Während konservative Politiker und Parteien die DDR als ein Unrechtsstaat bezeichnen, lehnen Politiker der Linkspartei und auch viele Ostdeutsche (ca. 41%) die Bezeichnung ab.
Mitte Mai 2009 wurde der Begriff während der Bundespräsidentenwahl in Deutschland abermals als Kampfwerkzeug benutzt. Die Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Gesine Schwan, wurde von Medien und vielen SPD-Politikern vorgeworfen, dass sie die DDR nicht eindeutig als »Unrechtsstaat« bezeichnen würde. Da Schwan auf die Stimmen der Linken angewiesen war und diese sich verärgert gezeigt hätten, wenn Schwan die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet hätte, kann man die Instrumentalisierung des Begriffes hier als einen politischen Schachzug interpretieren. Auf diese Art würde sie Stimmen entweder bei den Linken oder denen verlieren, welche die DDR gerne als Unrechtsstaat etikettiert sehen wollen.
»Er impliziert (Anm.: Der Begriff Unrechtsstaat), dass alles unrecht war, was in diesem Staat geschehen ist. So weit würde ich im Hinblick auf die DDR nicht gehen.«
- Gesine Schwan, Kandidatin für das Bundespräsidentenamt 2009 im Fokus
Vielleicht sollten wir alle einmal begreifen, daß auch die soziale Evolution nach dem Prinzip Versuch und Irrtum erfolgt. Und der Versuch »Deutsche Demokratische Republik« war so ein Versuch, ein gerechteres Staatsgebilde aufzubauen. Heute können wir sagen, daß dieser Versuch wenigstens aus wirtschaftlicher Seite nicht sehr erfolgreich war.
Aber auch unser kapitalistisches System ist so ein Versuch, der zur Zeit noch läuft. Die Resultate wissen wir noch nicht, wir merken nur (wenigstens hier), daß auch beim kapitalistischen System etwas nicht stimmt, es unser (sofern vorhanden) gesundes Rechtsempfinden verletzt.
Über den Erfolg oder Mißerfolg des aktuellen marktwirtschaftlich-kapitalistischen Systems können wir noch nicht urteilen. Dieses ist erst möglich, wenn wir eine Alternative dazu haben, die insgesamt vielleicht ein bißchen erfolgreicher ist und wenn wir in der Lage sind, aus einer Metaebene darüber zu urteilen.
Seit meiner Kindheit habe ich immer das Gefühl, als Versuchskanninchen in einer Experiment zu leben. Früher glaubte ich, daß dieses Experiment von Gott oder Göttern durchgeführt wurde, heute bin ich mir fast sicher, daß es keinen Gott gibt, sondern daß der universelle Evolutionsmechanismus mit dem Grundprinzip Versuch und Irrtum mit Bewertung und Auslese die Manifestation eines göttlichen, besser eines natürlichen Willens ist.
Die wichtigste Erkenntnis, daß es sich bei den Staatsgebilden — auch wenn sie mit solchen Bezeichnungen wie Unrechtsstaat belegt sind — ist für mich, daß es sich um soziale und wirtschaftliche Versuche handelt, bzw. handelte. Dieses ist für Einzelindividuen oft schwer nachzuvollziehen, gerade weil diese besonderes Leid oder auch Glück erfahren. Aber wenn wir lernen, die Erkenntnisse objektiv zu bewahren und zu analysieren, ohne sie von emotionalen Einzeleinflüssen verfälschen oder unterdrücken zu lassen, haben wir als Gesamtgesellschaft es wesentlich leichter, uns weiterzuentwickeln. Dann haben es auch die Demagogen und Medien es nicht mehr so leicht mit uns.
@gerhardq
Trial and Error auf wirtschaftsevolutionärem Niveau?
Ich teile deine Empfindungen,
allerdings zu dem Abschnitt
Über den Erfolg oder Mißerfolg des aktuellen marktwirtschaftlich-kapitalistischen Systems können wir noch nicht urteilen.
würde ich noch gerne schreiben, dass aus menschlicher Sicht es wohl eindeutig ein Misserfolg war. Und diesbezüglich stemme ich mich mit aller Macht gegen eine Evolution welche wir nicht mitgestalten können.
Die Evolution ist blind, eine Gestaltung ist ihr absolut fremd.
Wir alle sind aber auch Bestandteile dieses Wirtschaftssystems und wir alle beeinflussen seine Entwicklung wie auch diese uns wieder beeinflußt. Wohin also die Reise geht, kann man vorher nicht sagen. Das läßt sich erst bestimmen, wenn man da ist.
Allerdings ist festzustellen, das die Evolution eine der mächtigsten Waffen der Natur gegen Chaos ist. Nur ist sie eben nicht zielgerichtet. Das läßt sich auch gar nicht machen, denn dazu müßten wir alle Möglichkeiten, Variablen und Verbindungen kennen, die Einfluß haben. Bei einfachen Systemen, wie in der Technik ist das teilweise möglich, bei natürlichen Systemen ist die benötigte Informationsmenge so groß, daß wir alle Zeit des Universums brauchten, um sie zu erfassen und zu bewerten.
Ich verlasse mich auf den seit Milliarden von Jahren bewährten Mechanismus, der vielleicht nicht immer das Optimum erreicht, aber für ständige Weiterentwicklung sorgt.
@gerhardq
Schöne Zusammenfassung. Kann mich dem nur anschliessen.
Wenn du mal Zeit und Lust hast bei mir mal blog Nr.37 diesbezüglich anschauen zu wollen. Deine Meinung würde mich sehr interessieren.
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