»Es gibt keine Alternative zu meiner Reformpolitik«
- Gerhard Schröder, am 05.07.2004 in der ARD Sendung »Bericht aus Berlin«
Die »Reform« bezeichnet zunächst die Neuordnung bzw. Umgestaltung sowie die planmäßige Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse innerhalb eines politischen Systems. Dabei hat die Bewertung des Begriffs eine entscheidende Wandlung vollzogen. Als der SPD Bundeskanzler Willy Brandt (1969−1974) von Reformen sprach, wurden mit dem Schlagwort positive Aspekte und die Verbesserung der Lebensverhältnisse vieler Menschen in Verbindung gebracht: Demokratisierung, mehr Bürger-Partizipation, Ausbau des Sozialsystems sowie der Bildung und Wissenschaft.
Knapp 30 Jahre später spricht SPD Bundeskanzler Schröder (1998−2005) von Reformen und die Menschen kriegen es mit der Angst zu tun: massiver Sozialabbau, Praxisgebühr, Hartz4, Lockerung von Arbeitnehmerrechten sowie Riester-Rente. Das Schlagwort der Reform wurde in der Schröder-Ära zum Heiligtum rhetorischer Spitzfindigkeiten, um eine massive Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, eine steigende Armut in Deutschland sowie eine zunehmende Privatisierung von staatlichen Aufgaben zu verschleiern und zu beschönigen.
Akteure, welche diesen Prozess als undemokratisch und unsozial kritisierten, wurden als »Reformblockierer« diffamiert. Ökonomen, Unternehmer und Wissenschaftler, sprachen von »Reformkurs« halten und bezeichneten fortan jede soziale Umverteilung von oben nach unten als einen »Reformstau«. Dutzende Publizisten, Politiker und Ökonomen peitschten die Öffentlichkeit darauf ein, dass wenn man den »Reformmotor« und die »Reformbereitschaft« in Deutschland nur aufrecht erhalte, werde es den Menschen eines Tages besser gehen. Außer einem erlesenen, kleinen und gut vermögenden Kreis — dem es durch massive Steuersenkungen auch sichtlich besser geht — glaubt ein Großteil der deutschen Bevölkerung jedoch nicht mehr an das Heil-Dogma von marktwirtschaftlichen Reformen. Aber vermutlich ist auch das — nur ein Vermittlungsproblem.
Im Jahre 2009 traut sich mittlerweile kaum noch ein politischer Akteur, vielleicht mit Ausnahme der FDP, das Schlagwort der »Reform« zu verwenden, da er von den Agenda 2010-Jüngern derart negativ aufgeladen wurde, dass sich jeder der diesen Terminus benutzt nur unbeliebt machen würde, so der Buchautor Ralph Bollmann in »Reform — ein deutscher Mythos«.
»Die besten Reformer, die die Welt je gesehen hat, sind die, die bei sich selbst anfangen«
- George Bernard Shaw, irischer Schriftsteller
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