Hofberichterstattung

Endlich ist es soweit. Wir werden gerettet! Die 20 skrupellosesten Industriestaaten der Welt treffen sich zurzeit in London und legen sich einen Masterplan zurecht, wie man dem kapitalistischen Irrsinn endlich wieder freien Lauf lassen kann. Just in diesem Augenblick als der Autor dieses Textes, das Wörtchen »Masterplan« im ironischen Sinne gebrauchen wollte, fand er bei seiner Recherche den Begriff im Tagesspiegel — leider ohne jede Ironie. Sprechen wir also stattdessen vom Schlachtplan.

Hunderte Milliarden und Billionnen werden beschlossen, einzig zu dem Zweck, dass hoffentlich bald wieder alles so wird, wie früher. Ein paar kosmetische Änderungen hier und da, aber im Grunde soll alles so werden wie damals: einige wenige sollen wieder die Mehrheit der Weltbevölkerung gnadenlos auspressen und ausbeuten. Und was machen viele Menschen zurzeit in London (G20 Gipfel) und in Straßburg/Baden-Baden (Nato-Gipfel)? Sie protestieren und demonstrieren gegen ein »zurück wie früher« und für eine solidarischere Weltordnung.

Für alle die es immer noch nicht wahrhaben wollen, dass ein Großteil der Mainstream-Presse Hofberichterstattung betreibt, der muss sich dieser Tage nur einmal die Schlagzeilen und Leitartikel durchlesen. Keine Spur von Kritik am G20-Gipfel oder dem Nato-Gipfel, stattdessen Nachgeplappere und Verlesung der offiziellen Pressemitteilungen. Wo bleibt zur Abwechslung mal ein seriöses Interview mit den Globalisierungsgegnern? So dass auch diese Positionen durchdringen? Aber nein, es ist ja das übliche Spiel: die Journalisten lauern geradezu wie die Hyänen darauf, dass auch nur ein Stein bei den Protesten fliegt. Dieser Stein wird dann, wie immer, instrumentalisiert, um den gesamten Protest zu diskreditieren. Dieses Spielchen ist wirklich bei JEDER Demonstration zu beobachten. Zuletzt bei der Großdemo in Berlin »Wir zahlen nicht für eure Krise«. Ich war dabei und habe wirklich keine Ausschreitungen gesehen oder mitbekommen. Sie müssen lächerlich klein gewesen sein. Für die bürgerliche Presse reicht das aus, um den Protest als ganzes diskreditieren zu können. Medien als vierte Gewalt? Dass ich nicht lache! Sie sind nur noch ein Anhängsel der Herrschenden! Denn diese freuen sich wenn die Positionen und Ansichten der Demonstranten nicht in die Öffentlichkeit gelangen.

Ein kleiner Ausschnitt:

TAZ: »Randale vor Nato-Gipfel«.

Stern: »Auf ein Rodeo mit der Polizei«.

SpiegelOnline: »Steine in Straßburg, Gitarren in Baden-Baden«.

Süddeutsche Zeitung: »Randale in Straßburg: Die Polizei nahm 200 Personen fest«.

Die Welt: »Angst vor reisenden Gewalttätern«.

4 Gedanken zu “Hofberichterstattung

  1. Treffend formuliert, und mir fallen auch bei den Überschriften die jeweiligen nationalen Befindlichkeiten, die doch eigentlich dank deutsch-franz. Freundschaft weg sein sollten, bei der neoliberalen Mainstreampresse auf.

    SpiegelOnline gibt nur wieder was auch der SWR brachte, wenn man gemein wäre könnte man den Spiegel-Journalisten unterstellen, dass die suggerieren wollen, dass Franzosen randalieren, während Proteste in Baden-Baden (typisch deutsch) geordnet und friedlich abliefen....

    Der »Untertan« von Heinrich Mann läßt bei unseren Medien-Journalisten grüßen, schon damals wurde gegen Frankreich gehetzt und der Kaiser verteidigt, in Umkehrung der Tatsache, dass Deutschland im 1. Weltkrieg Frankreich überfallen hat, und nicht umgekehrt.

    Die Fratze des »häßlichen Deutschen« also auch hier ;-)

    Man könnte auch sagen — man will die Proteste nach dem Motto »teile und herrsche« aufspalten....diesmal eben global statt lokal....

    Gruß
    Nachdenkseiten-Leser

  2. Ich betrachte die üblichen Mainstream-Medien mit äußerster Vorsicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß sowohl Bild, wie auch Spiegel, FAZ, Focus, die Sudwestpresse, die Welt oder die öffentlich-rechtlichen Sender, anderslautenden Meinung nicht dulden und diese aus den öffentlichen Foren entfernen. Wer es dort wagt, die aktuelle Politik als das zu bezeichnen was sie ist, nämlich grundfalsch, wird einfach zensiert. Argumente interessieren da nicht!

    Daher interessieren mich die Nachrichten der üblichen Medien einfach nicht mehr. Diese sind extrem einseitig manipuliert, so daß von Objektivität schon seit Jahren nicht mehr die Spur vorhanden ist.

    Die einzige Zeitung, die in ihrer Onlineausgabe auch anderslautenden Meinungen duldet, ist in Deutschland Die Zeit. Imponiert hat die Zeit mir auch mit ihrem Verhalten zu Attac, als diese sie nachmachten.
    Interessant werden Nachrichten auch, wenn ausländische Zeitungen liest. Meine Lieblingszeitung ist die NZZ — Neue Züricher Zeitung. Aber auch die russischen und chinesischen Zeitungen, bzw. Onlineportale wie die China News oder die RIA Novosti, sind interessant, inbesonders deswegen, weil sie nicht der westlichen Medienmacht unterliegen. Natürlich sind auch diese zensiert, nur eben andersrum.

  3. Die Medien sind die vierte Gewalt im Stadt. Das gilt nach wie vor. Gelogen war lediglich, dass sie eine Kontrollfunktion ausüben. Ihre Aufgabe ist es, das bestehende System als das bestmögliche zu verkaufen und das machen sie wirklich gut. Das sie babei in erster Linie Propaganda verbreiten hast du ja richtigerweise dargestellt.

    Die Erfahrung von Zensur habe ich auch schön öfters gemacht. Es ist sehr schwer, abweichende Meinungen in den Foren vieler Mainstreammedien so höfflich zu verpacken, das sie nicht zensiert werden.

  4. Pingback: Einmal Clubmate und zweimal Gipfel, bitte. Blogschau (4/I)

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