Eine Gesellschaft des Misstrauens

Wir leben zunehmend in einer Gesellschaft des Misstrauens. Keiner traut keinem mehr. Niemand soll dem anderen trauen. Misstrauen, Vereinzelung und Spaltung der Gesellschaft als gewollte wirtschaftspolitische Strategie, um den Einzelnen leichter repressiv und autoritär zu begegnen. Der Überbau unter dem sich die verschiedenen Spaltungs — und Vereinzelungsdynamiken versammeln sind — zwar unausgesprochen, aber offensichtlich — der Neoliberalismus. Im folgenden einige Spaltungsdynamiken.

Männer kann man nicht wirklich vertrauen, sagt der Feminismus und die Boulevard-Presse, die Vergewaltiger, Schläger und Kinderschänder aus vielen Männern machen.

Frauen kann man nicht wirklich vertrauen, sagt das Sorge -, Scheidungs — und Unterhaltsrecht indirekt. Denn viele Männer fühlen sich nach einer Scheidung »abgezockt«.

Alten Menschen kann man nicht wirklich vertrauen, da sie ja nicht mehr arbeiten gehen und nur ihre Rente verprassen wollen, sagen die Jungen.

Jungen Menschen kann man nicht wirklich vertrauen, da auch sie nicht arbeiten gehen wollen und somit auf Kosten der Älteren leben würden, sagen die Alten.

Attraktiven Menschen kann man nicht wirklich vertrauen — sie haben zuviele Verehrer und sind somit nicht wirklich treu, sagen die weniger attraktiven Menschen.

Weniger attraktiven Menschen kann man nicht wirklich vertrauen, da sie auch nur von dem Wunsch beseelt sind endlich hübsch sein zu wollen, sagen die Attraktiven.

Reichen Menschen kann man nicht wirklich vertrauen — sie denken nur an sich und ihre Gier, sagen die Armen.

Armen Menschen kann man nicht wirklich vertrauen, da sie ungebildet und egoistisch sind, sagen die reichen Menschen.

Arbeitgebern kann man nicht wirklich vertrauen, da sie ihre Arbeitskräfte nur benutzen, um Profit aus Ihnen zu schlagen, sagen die Arbeitnehmer.

Arbeitnehmern kann man nicht wirklich vertrauen, da sie nur an ihr Gehalt denken und nicht an das Unternehmen, sagen die Arbeitgeber.

Dem Volk kann man nicht wirklich vertrauen, da es emotional und oberflächlich urteilt, sagen die Politiker.

Den Politikern kann man nicht wirklich vertrauen, da sie nur reden, egoistisch sind, aber nichts zur Verbesserung des Volkes tun würden, sagt das Volk.

Mir selbst kann ich nicht mehr vertrauen, da ich niemandem mehr vertrauen kann...

13 Gedanken zu “Eine Gesellschaft des Misstrauens

  1. In einem SpielFilm aus den siebziger Jahren, in denen Grenzsoldaten der DDR die Hauptrolle spielten, natürlich nicht die echten, es ging um ihre Situation als Wächter der Grenze und um ihre Mentalität und wohl auch darum, daß sie sich gegenseitig bewachten. Sagt der eine Soldat zum anderen über die DDR: Mißtrauen ist die Grundlage unseres Staates.
    Je lauter die Konservativen die Stasi jetzt für alles verantwortlich machen, um so stärker wollen sie davon ablenken, daß sie, die Neolibs, eine DDR-isierung der Bundesrepublik betreiben. Deutsche Bahn und Post als Spitzelweltmeister sind nur zwei Beispiele.

  2. Tja, lieber epikur, was soll ich dazu sagen, außer, dass ich dies auch so empfinde, mindestens seit 40 Jahren.
    Eines jedoch ist mir dabei nie abhanden gekommen: das SELBSTVERTRAUEN. Im Gegenteil, es wurde immer stärker und ist mir ein guter »Freund« geworden.

    Liebe Grüße und ein erbauliches Wochenende
    Margitta

  3. @epikur

    Mag schon sein, dass du richtig liegst, aber fördern die Medien nicht gerade das Mißtrauen mit ihrem neoliberalen Kulturimperialismus frage ich mich.

    Schon in den harmlosesten Tier-Dokus kommt die Welt des »Nur-der-Stärkere-darf-Überleben« vor. Ist mir nur mal so aufgefallen als ich — völlig unbeeinflußt — solch eine alte Tierdoku Grzimeks sah, die derzeit mal wieder ausgestrahlt wird — auch die neuen Tier-Dokus sind nicht besser.

    Jedoch als »Darwinist«, der die hochaktuelle Entwicklung verfolgt, weiß ich, dass Darwin nie vom »Nur-der-Stärkere-darf-Überleben« geschrieben hat. Die Tatsache soll auf einem einfachen Übersetzungsfehler aus dem Englischen aufbauen, aber bei den Neolibs hat sich dies anscheinend noch nicht rumgesprochen.

    Mehr über die Mißverständnisse was Darwin angeht, und hochaktuelle Nachrichten im »Darwin-Jahr« hier:

    http://www.darwin-jahr.de

    Anscheinend wird, außer bei Buch- und Internetbesitzern, diese These nicht weiterverbreitet, die auch beiweist Neoliberale liegen auf der falschen Linie, wenn die in ihrem Mißtrauen Menschen als wilde Tiere darstellen, die sich gegenseitig zerreißen.....

    Apropo Mißtrauen — aus einem ganz anderen Bereich — LobbyControl hat herausgefunden, dass Forenbeiträge manipuliert sind:

    http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2009/05/lobbycontrol-enthullt-verdeckte-pr-aktivitaten-der-deutschen-bahn/

    ....und im Lobby-Stadtführer Berlin wird erwähnt, dass man sogar Demonstranten kaufen kann...

    Ich bin bei solchen Nachrichten nicht nur mißtrauisch, sondern am Resignieren.

    Was soll man ändern, wenn eh alles gekauft ist in neoliberal Deutschland — von Forenbeiträgen über Demonstranten bis hin zu Mitarbeitern aus Lobbyagenturen in Ministerien?

    Ist unser Kampf hier sinnlos?

    Gruß
    Nachdenkseiten-Leser

  4. Zusatz:

    Nach neuester Theorie ist der Mensch ein Wesen, dass anderen hilft — eben kein reiner neoliberaler Egoist.

    Wären wir alle solche »neoliberalen Egoisten« gewesen wäre die Menschheit schon seit Jahrtausenden Geschichte, weil ausgestorben, darüber sollten Neoliberale einmal nachdenken, wenn die wieder die grottenfalsche These bringen, die ich oben erwähnt habe, und die Darwin wegen eines einfachen Übersetzungsfehlers aus dem Englischen in den Mund gelegt wurde.

    Gruß
    Nachdenkseiten-Leser

  5. Zusatz bzgl. »manipulierte Forenbeiträge« — Früher besuchte ich auch einmal diverse Arbeitslosenforen — damals als die Agenda2010 und die unsoziale HartzIV-Gesetzgebung gerade brutalstmöglich umgesetzt wurde — und mir fiel dort immer wieder das einseitige agieren von angeblichen »Arbeitslosen« auf, die bei Kritik an den Zuständen in Deutschland, die dank Schröder immer weiter nach Rechts gerückt sind, dies als »unwahr« und »Lüge« abkanzeln wollten.

    Ich weiß ja jetzt warum.

    Schon damals hatte ich den Verdacht und wurde als »Verschwörungstheoretiker« aus dem Forum verbannt.

    Dank LobbyControl fühle ich mich bestätigt, leider muss man sagen....wie bereits oben erwähnt.....

    Die alten Diktaturen in Deutschland — NS-Staat und Honecker SED — wären froh über solche technischen Möglichkeiten gewesen, die es heute zur Unterdrückung mißliebiger Meinung gibt — siehe oben....

    Man sollte einmal — incl. aller heutiger technischer Möglichkeiten im Internetzeitalter — ein Buch schreiben was wäre wenn SED und NSDAP über Internet verfügt hätten, und Lobbyisten, die Demos kaufen.....

    Ich bin sicher, die Zukunftsversion wäre noch viel erschreckender als George Orwells »1984«, dass rein nach technisch heute möglichem als veraltet gelten dürfte.

    Man stelle sich vor Juden, die gegen Juden hetzen — oder eben die Vorurteile bestätigen, die medial via TV über Juden verbreitet würden — nur mal als Beispiel Drittes Reich und Internetzeitalter bzw. Anne Will.

    Hitler würde bei Anne Will seine Vision eines »judenfreien Deutschland« ausplaudern, Anne Will hätte Alibi-Juden vorgeladen, die meinen, dass die antijüdischen Gesetze doch gar nicht so schlimm wären....

    Merkt ihr worauf ich hinaus will — Man ersetze Hitler durch Merkel und Juden durch Arbeitlose — rein technisch gesehen erinnert der Neoliberalismus auch in den Medien fatal an die Unmenschen früherer Zeiten — Man könnte auch Honecker und die »bösen« Kapitalisten nehmen, die Technik heute würde ihn genauso umsetzen wie mein Hitler-Juden-Beispiel oben....insofern ist der Neoliberalismus eben doch ideologisch, auch in den Medien.....

    Gruß
    Nachdenkseiten-Leser

  6. @Nachdenkseitenleser

    Ist unser Kampf hier sinnlos?
    Nein ist er nicht.
    Halten wir uns an @Margitta. Selbstvertrauen ist angesagt.

    @epikur
    Danke dir für diesen Artikel.
    Ich habe in meinen eigenen allerersten blogs immer mal wieder versucht diese ständige Gegenüberstellungen anzugehen und durch Verhältnissmäßigkeiten zu ersetzen. Ist mir beileibe nicht so gut gelungen wie du es hier machst ;-)
    Damals, wie heute lerne ich Menschen kennen die gar nichts stehen lassen können und immer direkt das Gegenteil daraus machen.
    Was auffällt ist, dass Leute darunter sind welche z.B. sagen
    Arbeitgebern kann man nicht wirklich vertrauen, da sie ihre Arbeitskräfte nur benutzen, um Profit aus Ihnen zu schlagen.
    Und wenn man darauf eingeht, kommt je nach Thema plötzlich so etwas wie:
    Arbeitnehmern kann man nicht wirklich vertrauen, da sie nur an ihr Gehalt denken und nicht an das Unternehmen
    Ich weiß jetzt nicht ob ich klar machen kann was ich damit meine, und rechne einfach mal mit deiner Empathie.
    Ich glaube das wahre Problem ist dieses Allround-Verständnis welches wir uns in den letzten Jahrzehnten angeeignet haben. Dieses wäre nicht so schlimm, aber es verhindert eben auch die eindeutige Stellungsnahme. Keiner ist mehr bereit ein Risiko einzugehen, und sichert sich nach allen Seiten ab.
    Will heißen ein Volk von Diplomaten.

  7. »[...]Ist unser Kampf hier sinnlos?
    Nein ist er nicht.
    Halten wir uns an @Margitta. Selbstvertrauen ist angesagt.[...]«

    Hallo antiferengi,

    danke für die aufbauenden Worte ;-)

    Ergo:

    Lassen wir uns nicht unterkriegen!

    Übrigens, was ich über »gekaufte Demonstranten« und »Forenteilnehmer« schreibe — beim Nachdenken darüber ist mir so eben eingefallen.

    Die verraten sich doch meist selbst?

    Oder?

    Nur 2 Beispiele:

    - Eine Demo Pro-Atomkraft — um mal den Umweltbereich als ein Beispiel von vielen zu nehmen — ist doch wirklich durchschaubar.

    - Ein Forenteilnehmer, der uns Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit verkaufen will ist auch sehr leicht zu durchschauen....ebenso wie ein neoliberaler Buchautor, der uns dies auch erklären will....

    Gruß
    Nachdenkseiten-Leser

  8. @Nachdenkseitenleser
    Eine Demo Pro-Atomkraft
    Ich glaube das gabs tatsächlich mal, und zwar aufgrund einer Aktion der
    Bürger für Technik. Ein echtes Produkt der Atomlobby. So Sachen sollte man schon durschauen können.
    Na, ja Paranoia erzeugt Gegenparanoia. Das Problem ist, dass auf der anderen Seite mehr Möglichkeiten für Konspiration vorhanden ist. Die Deals hinter verschlossenen Türen kriegen wir alle nicht mit. Aber was wir hier machen ist nunmal offensichtlich.
    Freiraum für alle welche mitmischen wollen.
    Aber wenns in der Richtung mal eng werden sollte, kann man auch Abhilfe schaffen.

  9. @antiferengi

    Ich glaube, ich weiß was Du meinst. Es ist paradox: auf der einen Seite sind eindeutige Stellungnahmen/Meinungen verpönt, da sie ja dem Fetisch »Objektivität« und »Wissenschaftlichkeit« zuwider laufen würden. Auf der anderen Seite fällt es vielen Menschen aber auch schwer, zwei gegensätzliche Meinungen einfach stehen zu lassen, d.h. sich eben nicht zu entscheiden.

    Es gibt so einige Themen, wo ich mich wirklich nicht festlegen kann und will. Ich glaube, das auszuhalten, sich nicht immer zu entscheiden bzw. eindeutig festzulegen, die Ambivalenz und Spannung auszuhalten — kann einem neue Sichtweisen eröffnen.

  10. @epikur, antiferengi

    Das ist wohl genau das was ich auch denke?

    Ich bin gegen Zensur, da eben Neoliberale oft in eigenen Texten mehr über sich verraten als ihnen selbst bewußt ist.

    Als jemand, der sich auch gerne mit Religionskritik befasst kommt mir hier was ähnlich vor, denn die Texte der Kirchen- bzw. Religionsvertreter verraten mehr als einfach nur kirchen- bzw. religionskritische Texte, z.B. hat mich die unvoreingenommene Lektüre der Bibel und der Erklärung »Dominus Iesu« eines gewissen Kardinals namens Ratzinger, nun bekannt als Papst Benedikt XVI, zum Kirchenaustritt bewogen — meinen Glauben an einen »guten« Gott verlor ich ein paar Jahre später nach nochmaliger Lektüre der Bibel. Sorry, für die kleine Abschweifung, aber ich wollte nur klar machen, dass die Lektüre von Hayek und Friedman mehr »Ketzer« gegen den Neoliberalismus produziert als jede Schrift gegen die Autoren aus anti-neoliberaler Sicht.

    Daher (noch einmal) lasst die ruhig schreiben, auch in Internetforen und sonstwo, die verraten sich selbst.....

    Gruß
    Nachdenkseiten-Leser

  11. @epikur
    Ja das kommt sehr nahe dran, bis darauf das ich mehr die Menschen meine welche die Sache nicht so ernsthaft angehen wie du :-)
    Ich glaube, das auszuhalten, sich nicht immer zu entscheiden bzw. eindeutig festzulegen, die Ambivalenz und Spannung auszuhalten – kann einem neue Sichtweisen eröffnen.
    Wenn dies das durschnittliche Niveau, wenigstens unserer Bildungsgesellschaft wäre, gäb es ja gar keine Probleme.
    Ich meine mehr Leute deren alltägliche Sprache bereits einem Automatismus ohne jede Selbstreflektion unterliegt, (was ich leider als die Mehrheit empfinden muss ).
    Einem Automatismus, der vollkommen unbewusst, ohne Bezug dazu das man vielleicht eine Diskussion zur Problelösung führt immer wieder sich selber negieren lässt.
    Diese Form von Relativierung von allem und jedem.
    Es geht dabei nicht um das Problem selber sonder das Gegenteil von seinem Gegenüber zu sagen.
    Dabei hab ich immer das Gefühl das es nur um Machtkämpfe geht, indem das letzte Wort beim mächtigsten liegt. Aber auch witzige Episoden waren dabei wo jemand nicht mehr gemerkt hat das er sich gerade eben selber wiedersprochen hat.

    @nachdenkseitenleser
    Hmm, aus der Diskussion um zensur auf blogs sollte ich mich eigentlich raushalten, aber ich betrachte blogs nicht als Foren. Ich geniesse es zwar auch wenn ich hier bei zeitgeist diesbezüglich eigentlich nichts anderes mache, — aber ein blog ist immer noch ein blog.
    Für mich wäre es als wenn jemand in meine Wohnung käme, mit dem ich eigentlich nicht meine Zeit verbringen möchte. Ich mache dies zwar privat oft, und nehme mir trotzdem die Zeit, aber im Grossen und Ganzen muss dies jeder blogger für sich selber und vollkommen kritikfrei selber entscheiden dürfen.
    Sonst müsste man ein wirkliches Forum machen, wo es ja um die Auseinandersetzung mit vielfältigen Meinungsbildern geht. Aber ein blog ist nunmal eine Sache mit Hausrecht.

  12. @Antiferengi

    Hast auch wieder recht ;-)

    Schönes Wochenende noch ;-)

    Gruß
    Nachdenkseiten-Leser

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