Mittlerweile habe ich mich zur provokanten These durchgerungen, dass von den Herrschenden niemand wirklich ernsthaft daran interessiert ist, die Arbeitslosigkeit abzubauen bzw. Menschen in Vollbeschäftigung zu bringen. Es fehlt der politische Wille. Instrumente, um die Arbeitslosigkeit abzubauen sind vielfach vorhanden. Arbeitszeitverkürzung ist ein Stichwort. Wer heute noch glaubt, es würde jemals wieder großes Wirtschaftswachstum in Deutschland geben und dieser würde dann durch Investitionen der Unternehmen usw. Arbeitsplätze schaffen, der ist entweder naiv oder verbreitet Lügenpropaganda. Nicht »Geiz ist geil«, sondern »Arbeitslosigkeit ist geil«! Zwar nicht für die Arbeitslosen selbst, aber für Unternehmen und Wirtschaft. Die Aufrechterhaltung der sog. »stillen Reserve« und der großen Arbeitslosigkeit, ist das perfekte Druckmittel gegen Beschäftigte. Weshalb sollte man daran interessiert sein, den eigenen Repressionsapparat abzubauen?
Natürlich, gehört eben zum Kapitalismus dazu, Stichwort »Reservearmee« in »Das Kapital« (Marx)
Zumal es heutzutage auch einer Utopie gleicht, wenn man von Vollbeschäftigung spricht... ausser man meint damit radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für alle. Um aber auf so eine Idee zu kommen, muss man auch etwas von der Lebenswirklichkeit der Menschen verstehen und für sie auch tatsächlich zu arbeiten.
Interessant nicht wahr?
Wie Investitionen als Steuerung zur Erzeugung von Arbeitsplätzen immer nur in Gewinnzuwächsen enden, während man Arbeitslose wegrechnet. Natürlich ist Arbeitslosigkeit ein mögliches Druckmittel für eine potentielle unternehmerische Einnahmequelle. Wie weit dahinter echte Kalkulation steckt ?
Ich weiss es nicht.
Dennoch wird die Arbeitslosigkeit schön gerechnet wegen anstehender Wahlen! Der Glaube an die Vollbeschäftigung muss zumindest offiziell aufrecht erhalten werden, sonst käme noch der Dümmste zwischen Germanys Next Kotzmodel und Galileo Mystery auf die Idee, die Frage zu stellen: Und was dann?
Ach, das ist doch keine provokante These — DAS weiß doch jede/r!
Allein, es ist nicht allein Marx der Grund, und das wissen nur wenige — obwohl ihn fast alle liefern: Die meisten Menschen heutzutage WOLLEN gar keine Vollbeschäftigung mehr, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: EGOISMUS! Oder nicht ganz so hart: Entsolidarisierung! ;-)
Das kann man doch an dem ganzen Gerede um »Arbeitsplatzsicherung« ablesen oder am Ausbau (!) der Kinderbetreuung oder am (einkommensabhängigen) Elterngeld (»Toll!«) oder an der Riester-Rente (»Mach ich!«) oder am Sozialdarwinismus gegenüber Leistungsberechtigten nach Hartz IV!
Wie oft liest/hört man, dass die Leute mit ihrem Lohn kaum selbst über die Runden kommen und nicht einsehen, mit ihren Steuern auch noch Hartz-IV-Empfänger zu alimentieren. Dass sie DEN Teil ihrer Steuern, der für Hartz-IV-Empfänger draufgeht, mit einem proportionalen Anteil Arbeitseinsatz oder gar mit Überstunden »erwirtschaften«, geht den Leuten doch gar nicht mehr auf, geschweige denn, dass sie fordern würden: »Weniger Arbeiten! Arbeit umverteilen!« Die merken doch gar nicht, dass sie selbst mitverantwortlich sind an der Massenarbeitslosigkeit, wenn sie wieder mal einen Tarifvertrag mit (absurden) Mehrarbeitsklauseln absegnen! Die Leute sind einfach nur DUMM, dass sie mehr arbeiten als nötig und aus diesem Grund auch noch Geld für die abdrücken müssen, denen sie mit ihrer Mehrarbeit die Arbeitsplätze wegnehmen. Unfassbar!
Ähnlich steht es bei den TAFELN: Statt allen genug Kaufkraft mit auf den Weg zu geben, dass sie ihre Lebensmittel ganz normal einkaufen können, sammeln einige besonders Dumme sog. überflüssige Lebensmittel ein (halt die, die von den Leuten, denen sie das Zeug später überlassen, nicht gekauft werden konnten) und kutschieren sie für viel sinnloses Benzin woanders hin, um sie dann statt im Supermarkt dort zu verteilen. Wie dumm ist das denn???
Und dann wählen sie bei der Europawahl auch noch die Union oder nach wie vor SPD, verstärkt gar die FDP — wie blöd können die Menschen eigentlich noch werden???
@Manfred:
Ja, es ist zum Verzweifeln, nicht wahr?
Ich hatte schon mal den Gedanken gehabt, dass das so eine Mischung zwischen Hörigkeit und Resignation ist, die insgesamt diese Passivität und Realitätsverweigerung erzeugt.
In dieser Krise offenbaren sich nämlich gleich zwei Probleme: zum einen haben wir grosse Überkapazitäten und das fast sämtlichen Branchen, was auch eine zusätzliche Arbeitslosigkeit in der nahen Zukunft produzieren wird. Zum anderen wurde die allgemeine Massenkaufkraft systematisch geschwächt — und gegen Ende wurde sie nur noch über Kredite aufrecht erhalten. Im Prinzip erleben wir also hier eine globale Pleite, bei der es auch noch gar nicht geklärt ist, wer überhaupt dafür aufkommt, denn je mehr Staaten in die Pleite getrieben werden, umso mehr gerät die globale Stabilität in eine gefährliche Schieflage. Ich frage mich daher immer, ob dieses Desaster, was daraus resultiert, so gewollt ist, oder man einfach aus schlichter Ideologieblindheit sich Lösungen dafür verweigert.
Moin Epikur,
deine »provokante These« ist für mich seit min. 2 Jahrzehnten eine sehr
offensichtliche Wahrheit. Man muss nicht mal Marx gelesen haben, um das
zu erkennen (soll heissen, ich habe nicht). ;-)
Noch eine andere Wahrheit gibt es: nach oben wird gekuscht, nach unten
wird getreten. Egal, wie tief man selber in der Bredouille steckt.
Da ist immer noch einer, der noch tiefer drinsteckt.
Die Deutschen sind dumm, glaub’s mir. Gestern wurde das wieder bestätigt.
@Manfred
Die Entsolidarisierung die du beschreibst ist in meinen Augen einfach ein Selbstläufer geworden. Die Versicherer haben gesehen wie viel Geld bei Rentenversicherungen zu verdienen sind. Es werden Kampagnen gemacht, um jedem Menschen klar zu machen, dass eigentlich alle außer man selber Schmarotzer sind. Nur die private Rente, Eigeninitiative,... können helfen das man selber im trockenen sitzt. Komisch dabei finde ich nur, dass kaum jemand in der Bevölkerung bisher (vor der Finanzkrise) gefragt hat warum gerade die Privatwirtschaft so selbstlos ist uns vor all den Schmarotzern zu schützen. Warum gerade aus dem Bereich jeder weiß wie man besonders sozial ist, wenn sie das nicht einmal in den eigenen Unternehmen hinbekommen. Niemand würde eine Mutter die ihr Kind schlägt nach Kindererziehung fragen, unsere Politiker machen genau das bei den Unternehmen
Wie soll Kapitalismus ohne Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Armut funktionieren?
Die Hauptursache der Arbeitslosigkeit ist der technische Fortschritt. Er sorgt dafür, daß wir immer mehr mit immer weniger Personal erwirtschaften. Inzwschen hat er auch Einzug in die Dienstleistungberufe genommen, angefangen vom Bankkassierer, der vom Geldautomaten ersetzt wurde bis hin zu den ersten Pflegerobotern in japanischen Altersheimen. Mathematisch gesehen strebt der Personaleinsatz in der Wirtschaft gegen Null.
Wir alle leben in dem Dilemma, daß wir auf den technischen Fortschritt nicht verzichten wollen, aber aber gleichzeitig bedeuten kann, daß wir unsere Jobs verlieren. Ein einfaches Beispiel, letzten mußte ein Nachbar ein Kabel über eine Strecke von ca. 20m verlegen. Früher wäre die Elektrofirma beigegangen und hätte ein paar Leute mit dem Schachten beauftragt, die daran einen Tag gearbeitet hätten. Heute leiht sich die Firma einen Minibagger und gräbt so einen Kabelgraben innerhalb von einer Stunde auf und gleich wieder zu.
Ich glaube, bezahlte Arbeit wie in der Vergangenheit, wird mittelfristig aussterben. In der Gesellschaft der Zukunft werden die Menschen ein leistungslose Grundeinkommen erhalten, welches ihnen gestattet, am sozialen Leben teilzunehmen. Danben werden die Menschen ihren Interessen nachgehen, die mit Geld entlohnt werden können oder aber nur als Hobby betrieben werden. Meiner Meinung nach werden wir an irgendeiner Form des bedingungslosen Grundeinkommens nicht vorbeikommen. Die Reichen haben das schon immer so gemacht, der typische englische Edelmann ist doch keiner geregelten Arbeit nachgegangen, nein der hat sich mit seinen Hobbies beschäftigt. Und zu dieser Mentalität müssen wir kommen.
Eine Vollbeschäftigung ist meiner Ansicht nach nicht möglich. Um die zu erreichen, müßten wir auf den technischen Fortschritt mit seiner ständigen Rationalisierung verzichten und gleichzeitig mit veralteter Technik in Umwelt und Menschen immens schädigen.
Die gesetzliche Rentenversicherung ist eine der besten Formen der Altersvorsorge.Es ist im Grunde eine Schande, daß sich keine politische Richtigung wirklich auf die Seite der umlagefinanzierten staatlichen Altersvorsorge schlägt. Überall haben die geldgeilen Abzocker das Sagen, die ihre Meinung ungestraft in den Medien verbreiten dürfen. Allein aus Kostengründen ist die gesetzliche Rentenversicherung unschlagbar. Keine private Versicherung kommt da ran. Aber auch in Punkto Sicherheit ist die umlagefinanzierte Form bisher von keiner anderen Form geschlagen worden. Warum sollte man sich also privat versichern? Damit man sein Geld raffgierigen Versicherungskonzernen anvertraut, die ihre Leistungen noch nicht einmal garantieren wollen? Die gleichzeitig einen großen Teil der Beiträge für sich selbst verwenden? Die jederzeit pleite gehen können, so daß die eingezahlten Beiträge futsch sind? Jeder der für eine private Form der Alterssicherung plädiert, soll mir bitte erklären, warum international ca. 80.000 Pensionsfonds pleite gegangen sind? (Was übrigens bedeutet, daß diejenigen, die jahrelang eingezahlt haben, dann nichts mehr im Alter bekommen!)
@gerhardq: Nun, auch mir erscheint, die Aussicht auf immer mehr menschliche Arbeit verzichten zu können, für sich genommen eher positiv. Doch was daraus gemacht wird, ist eine negative Deutung dieser Entwicklung, indem der »gemeine« Arbeitslose als schuldig diffamiert wird. Derzeit strebt unsere politische Klasse in Richtung Eugenik, kann dies vergangenheitsbedingt zwar so offen nicht formulieren, aber im Prinzip ist es so.
@Manfred: Meines Erachtens führt die von Dir angesprochene Mehrarbeit zum Verlust an gedanklicher Trennschärfe der Arbeitenden (Aufstehen — Arbeiten — Fernsehen — Umfallen). Insofern ist das ein durchaus gewünschter Effekt, doch wenn die Statistik nicht ab und an mit ein paar Taschenspielertricks »bereinigt« werden würde, dann käme vielleicht auch der Dümmste auf die Idee, dass nicht alle selbstverschuldet in der Arbeitslosigkeit gelandet sein könnten.
@gerhardq
Das Problem ist nicht der technische Fortschritt, sondern die alleinige Verfügungsgewalt der Kapitalbesitzer über ihn.
Mit der heutigen Produktivität könnte man problemlos unter Vollbeschäftigung seinen vollen(!) Lohn auch in 20h (und weniger) erarbeiten und locker mit 55 in Rente gehen.
Wem nützen Milliardäre wie Schaeffler, Schickedanz, Quandt, Klatten & Co?