»Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person«
- Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
Mal einen Artikel über die Todesstrafe zu schreiben, schwirrt mir schon seit längerem durch den Kopf. Mit diesem Artikel aus der BILD ist es nun mehr als überfällig, mich dieses Themas anzunehmen. Die BILD thematisiert, nein polemisiert aufs Schärfste gegen einen vermeintlichen Kinderschänder. Sie nennt ihn sogar ein »Dreckschwein«. Während die Kinderpornographie im Internet benutzt wurde, um eine Internet-Zensur durchzubringen, werden schon seit längerem Vergewaltiger, Kinderschänder und andere, in der Tat widerliche Zeitgenossen, instrumentalisiert, um die Todesstrafe wieder salonfähig zu machen.
In einigen Online-Foren und bei Jappy, einem Community-Portal, ist mir seit einiger Zeit dieses Bild aufgefallen. Es soll die Todesstrafe wieder als Option möglich machen. Das übliche Spiel beim Thema Todesstrafe ist der Diskurs der Emotionalisierung. Es werden keine Argumente ausgetauscht, es wird keine sachliche Debatte geführt, sondern an die Emotionen angeknüpft. Ähnlich wie bei dem Vorgang der Kinderpornographie im Internet, wird hierbei jeder, der sich gegen die Todesstrafe für Kinderschänder ausspricht, sofort zum Mittäter gemacht. Eine Argumentation der Hexenjagd und Inquisition. Während bei George W. Bushs Zitat »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns«, noch viele von Spaltung, Schwarz-Weiß-Denken und Verallgemeinerung sprachen, wird bei der Debatte um die Todesstrafe für Kinderschänder ähnlich argumentiert.
Dabei wäre eine grundsätzliche sachliche Debatte über das Für und Wider der Todesstrafe vonnöten. Wer kann schon sachlich argumentieren, wenn das eigene Kind missbraucht oder vergewaltigt wurde? Dies ist auch völlig verständlich und nachvollziehbar. Trotzdem braucht eine stabile und reife Gesellschaft allgemeingültige Regeln, die sich nicht aus den Emotionen von Rache, Wut, Trauer und Lynchjustiz ableiten, sondern humanistisch und vernunftgeleitet sind. Außerdem stellt sich die Frage nach dem Menschenbild? Ist und kann der Mensch von Natur aus schlecht und böse sein? Oder ist der Mensch in den meisten Fällen nicht doch ein Produkt seiner Umwelt und Erziehung?
Abgesehen davon, gibt es mittlerweile etliche Studien die belegen, dass die Todesstrafe die Kriminalität weder vermindert hat, noch dass sie abschreckend wirkt, wie oftmals behauptet wird. Volker Pispers hat das in einer seiner Auftritte gut auf den Punkt gebracht: »Ein Triebtäter sitzt nicht da und überlegt sich, ob er es für 2 Jahre Knast macht und bei Drohung der Todesstrafe es sein lässt. So sind die nicht drauf«. Im US-Bundesstaat Texas sind seit dem Jahre 1976 über 400 Menschen staatlich hingerichtet worden, über 1000 Menschen sind zum Tode verurteilt worden. Gleichzeitig ist die Kriminalitätsrate gleichbleibend hoch bzw. nicht gesunken.
Letzendlich geht es auch nicht um »Gerechtigkeit«, sondern um Rache. Denn die Hinrichtung des Mörders macht weder das Verbrechen rückgänig, noch lindert es das Leid der Hinterbliebenen. Der Staat, der die Todesstrafe befürwortet, stellt sich mit Mördern auf eine Stufe, indem er Unrecht mit Unrecht begegnet.
Es ist interressant sich mit Leuten zu unterhalten, welche beruflich mit Opfern, Tätern, sowie Behörden, betreffend Sexualdelikten befassen. Ganz besonders bezüglich sexuellen Mißhandlungen von Kindern überwiegt das Bild des vollkommen normalen Menschen welcher diese Taten begeht. Allzu oft kommt es vor, das Menschen von Perversen Schweinen sprechen, und dann Jahre später selber in der Täterkartei auftauchen. Vielleicht ist es ja gerade die Möglichkeit das, das unbewusste Empfinden eines Potentials, welches möglicherweise in jedem vorhanden ist, zur extremen Deklassierung anderer führt. Die Diskussion um Kinderpornos und Stoppschilder sollte uns ausreichen um klar zu machen, das Verdrängung nichts nutzt. Ob v.d.Leyen, oder Piraten, ob Bild oder Kumpel X beim Bier. Nur was fern ist, kann auch instrumentalisiert werden. Und das machen alle, — anstatt ein Thema endlich mal offen und ehrlich anzugehen.
Die Todesstrafe ist etwas für bigotte Menschen oder Staaten, die sich für unfehlbar halten.
Ich halte es da eher mit Karl Popper, d.h. ich gehe grundsätzlich davon aus, daß ich mich irre. Wenn ich mich aus dieser Perspektive der Sache annähere, dann muß ich die Todesstrafe einfach ablehnen, denn ich kann meinen Irrtum nicht korrigieren. Dabei ist es vollkommen egal, was für ein Verbrechen begangen wurde. Meiner Ansicht nach gibt es keine eindeutigen Beweise!
Wenn ich mich allerdings aus der Richtung: »Findet einen Schuldigen und bestraft ihn öffentlich, damit der Pöbel befriedigt ist« an die Sache herangehe, dann kann die Todesstrafe zur Besänftigung der Bevölkerung eingesetzt werden. So läßt sich dann wunderbar von den Fehlern des Systems, also Polizei, Gericht, Gesetzgeber, ablenken. Die Todesstrafe hat in den Ländern, in denen sie ausgeübt wird, den Zweck, den sozialen Frieden zu erhalten. Möglicherweise haben dort die Machthaber Angst, daß die Bevölkerung dem sozialen Druck nach Rache nicht standhalten kann?
Harte Strafen bis hin zur Todesstrafe besänftigen das gemeine Volk und geben ihm die Illusion, daß der Staat für ihre Sicherheit sorgt. So läßt sich dann effektiv verhindern, daß staatliche Vorgehensweisen in Frage gestellt werden. Wenn ich mir überlege, welche Kosten die Hinrichtung eines Menschen verursacht, angefangen vom Gerichtsverfahren bis hin zu besonderen Gefängnissen, dann wären diese Gelder möglicherweise in Prävention besser angelegt. Ein einziges Jugendzentrum verhindert effektiv mehr Verbrechen als alle Gefängnisse. Gefängnisse sind im Grund nichts weiter als Ausbildungseinrichtungen für Kriminelle. Hier wird auf engstem Raum kriminelles Wissen ausgetauscht und Menschen asozialisiert. Effektiver läßt sich Ausbildung kaum durchführen.
Wir hatten in Deutschland einmal den Resozialisierungsgedanken im Strafvollzug. Wir sollten diesen wieder aufgreifen und Menschen im sozialen Verhalten ausbilden, statt in Kriminalität.
Einem Staat, der meint die Todesstrafe zu benötigen, begegne ich mit Skepsis. »Todesstrafe« Das Wot führt in die Irre, es ist eine institutionalisierte Rache und Rache führt immer nur zu neuem Unheil. Im konkreten Fall des Kindesmissbrauchs ... ich kenne Opfer, den Ruf nach Rache habe ich bei den Opfern des Missbrauchs noch nicht vernommen. Just heute habe ich zu dem aktuellen Fall auch etwas geschrieben.
»Wegsperren ist in meinen Augen zu wenig. Der Öffentlichkeit aussetzen.«
Ich würde diese Frau gerne fragen, warum sie solche Forderungen stellt und ob ihr klar ist, dass sie damit möglicherweise eine Lynchjustiz propagiert.
In einer Gesellschaft, wo es wieder möglich ist dergleichen zu äußern, dauert es nicht mehr lange und öffentliche Hinrichtung, wie im Mittlealter üblich, werden wieder zur Option. Zumindest sehe ich dies im Moment so.
Bin wahrscheinlich etwas deprimiert.
Liebe Grüße an alle
Margitta
Also so ein ähnliches Zitat habe ich mir auch mal [aus]gedacht, weil wir grad »Die Welle« gelesen haben und ja eben alle darübersprachen wie so etwas passieren konnte, und dann hab ich halt den etwas übertriebenen Vergleich genutzt....
Was mir auch aufgefallen ist dass die meisten Argumente der Todesstrafenbefürwörter nicht mal was mit Meinungen zu tun haben, sodern schlichtweg nicht stimmen also:
1.Die Todesstrafe macht diesen Abschaum von Menschen günstiger — nein sie kostet je Verfahren ungefähr 1Mio € mehr.
2.Sie senkt die Mordrate — oben beschrieben
3.Die Angehörigen — Das ist zwar diskutierbar, aber meiner Meinung auch Falsch, da wie gesagt die Kidner tot bleiben und es etwas unheimlich erscheint, wenn sich ein Anghöriger beim Sterben eines Menschen besser fühlt.
Und das jeder 5–6 unschuldig ist macht die Sache für mich in Deutschland klar.
»Warum töten wir Menschen, die Menschen töten, um den Menschen zu zeigen, dass Töten falsch ist?« Amnesty International
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