Was sich dieser Tage wieder in Deutschland ereignet, ist schlichtweg unglaublich. Zwei Polizisten in Dessau wurden vor Gericht freigesprochen, obwohl sie der Mitschuld an der Verbrennung (!) eines Asylbewerbers beschuldigt wurden. Vor vier Jahren verbrannte der Asylbewerber Oury Jalloh gefesselt (!!) in einer Gefängniszelle in Dessau qualvoll.
Das Landgericht in Dessau-Roßlau urteilte, dass die Polizisten keine Mitschuld am Verbrennungstod des Asylbewerbers Oury Jalloh im Januar 2005 hätten. Einer wurde komplett freigesprochen, der andere Polizist erhielt eine Geldstrafe. Im Gerichtssaal brachen daraufhin Tumulte aus. Und auch vor dem Gericht in Dessau hatten mehrere Protestbewegungen gegen das Urteil demonstriert.
Oury Jalloh wurde im Januar 2005 wegen starken Alkoholkonsums in eine Ausnüchterungszelle der Polizei gesteckt. Da er den Beamten zufolge »starken Widerstand« leistete, fesselten sie ihn an Händen und Füßen (!!!). Angeblich hatte der Asylbewerber aus Sierra Leone ein Feuerzeug dabei, was die Beamten bei der Durchsuchung nicht fanden. Damit soll er sich in der Zelle, während er gefesselt war, selbst entzündet haben (!!!!). Außerdem wäre den Beamten der Rauch, welcher durch das Feuer verursacht wurde, auch nicht aufgefallen, deshalb hätten sie nichts bemerkt (!!!!!). Die Süddeutsche Zeitung ist sich sicher, dass dies trotzdem keine fahrlässige Tötung, sondern ein »tragischer Unglücksfall« war. Schließlich hätte der Anwalt dies eindeutig belegt.
Mir fehlen die Worte das zu kommentieren.
Nun ja, was hast du erwartet? Die Richter haben nach dem Gesetz geurteilt. Und nach allem, was ich gelesen habe, gab es wirklich keinen Anhaltspunkt für Mord und die haben festgestellt, dass der Typ sich tatsächlich mit seinem Feuerzeug hätte verbrennen können.
Vorwerfen lassen müssen sich die Polizisten die brutale Behandlung (die aber leider durch ihre Dienstrichtlinien gedeckt ist) und dass sie nicht schnell eingegriffen haben, weswegen sie auch bestraft wurden.
Die Proteste jetzt sind, auch wenn ich ihnen grundsätzlich sympathisch gegenüberstehe, durchaus mit Hexenjagden à la BILD vergleichbar. Als die U‑Bahn-Schläger verurteilt wurden hieß es auch »Boah, kommen die günstig weg«, und wir haben dieses Gebahren verurteilt. Das müssen wir konsequenterweise auch hier tun, denn »in dubio pro reo« gilt auch für Polizisten, egal, wie unsympathisch sie uns sind.
»Ich habe mich nur an Gesetze und Vorschriften gehalten. Mich trifft keine Schuld« — diesen Satz kennen wir doch irgendwoher....
Ich muss zugeben, ich finde den Vergleich der »U‑Bahn Schläger« zu einem Mann der gefesselt im Gefängnis sitzt, qualvoll verbrennt und niemand will es bemerkt haben, nicht nur ethisch fragwürdig, sondern auch rechtlich. In einem Falle haben wir es mit vermeintlich ungezogenen Jugendlichen zu tun und im anderen Falle mit ausgebildeten Beamten im Namen des Staates. In einem Falle wird jemand »nur« verprügelt, im anderen Falle kommt jemand ums Leben. (Wobei ich natürlich beide Taten verurteile!)
Und ganz ehrlich: War es nötig den Mann an Händen und Füßen zu fesseln? Desweiteren wurde bei seiner Untersuchung kein Feuerzeug entdeckt? Und als die Zelle brannte und der Rauchmelder 3x anging, warum haben die Beamten da nicht reagiert? Und was hälst Du von der Äußerung eines Polizeioberrates in Sachsen-Anhalt zu dem Fall: »Schwarze brennen eben länger«? Und das diese »Tat« ausgerechnet in Sachsen-Anhalt mit einem ausgeprägten Rassismus geschieht, ist auch nur Zufall oder eben Pech?
Im übrigen halte ich das Ideal der vermeintlich »weltanschaulichen Neutralität«, die viele Liberale ihr eigen nennen, für eine Illusion. Streng nach Bourdieu:»weltanschauliche Neutralität bedeutet Weltflucht im Namen der Wertfreiheit«. Aber das nur nebenbei ;)
Ich weiß durchaus was du meinst und sehe die Hintergründe der Tat ebenso klar wie du. Dass die Polizei ihm nicht zu Hilfe kam liegt sicher auch an dem unterschwelligen Rassismus, aber worauf ich hinauswill ist:
Der Beamte wurde dafür bestraft. Vergleichsweise milde, aber das ist dem Justizsystem inhärent, das schon immer seine Staatsdiener mit Milde behandelte. Vermutlich können wir froh sein, dass er überhaupt bestraft wurde.
Der Hergang der Tat ist systemimmanent. Die Regeln der Polizei und ihr täglicher Umgang erlauben eine solche Tat mit solchen Ergebnissen, sie provozieren sie geradezu. Sich jetzt auf diesen Einzelfall zu stürzen ist genauso kontraproduktiv wie der Fall mit den U‑Bahn-Schlägern, den ich nicht von der Tat her vergleiche, sondern vom Umgang mit derselben. Meine Aussage ist deswegen: das System muss geändert werden, nicht ein willkürlich herausgegriffener Repräsentant desselben. Das wäre weder gerecht noch zielführend. Aber genau davon redet natürlich wieder niemand, denn das wäre ja komplex und schwierig.
Ich stimme Dir zu.
Ob dieser Vorfall wirklich ein »Einzelfall« ist, würde ich jedoch bezweifeln. Auch diese Taten haben in einigen Teilen Deutschlands (leider) schon System. Wo wir dann wieder bei der System- und Strukturänderung wären.
Sicher, es gibt ziemlich viele dieser »Einzelfälle«, aber die Tatsache, dass wir noch von praktisch jedem hören lässt hoffen ^^ Ein systemes Problem ist es nontheless, kein Zweifel.