Der Psychoanalytiker, Autor und Humanist Erich Fromm hat schon vor über 50 Jahren in zahlreichen Büchern deutlich gemacht, wie und in welcher Form der Kapitalismus den Menschen verändert. In einem seiner berühmtesten Werke »die Kunst des Liebens« von 1956 (!) beschrieb er, wie die Beziehungen der Menschen, d.h. die Liebe zueinander vom Kapitalismus geprägt, gesteuert — ja bestimmt wird. Menschen verkaufen sich auf dem »Persönlichkeitsmarkt«, möchten ein »gutes Geschäft« machen und sehen sich selbst dabei immer als ein Objekt und nicht als ein Subjekt an. Fromm legte dar, dass die romantisierende Vorstellung einer altruistischen Liebe (durch zahlreiche Bücher, Filme usw. erzeugt) im krassen Widerspruch zum kapitalistischen Ideal des Egoismus, des Wettbewerbs und des Konkurrenzdenken steht.
Fromms Werke haben bis heute ihre Aktualität nicht verloren — Ganz im Gegenteil. Die internationale Erich Fromm Gesellschaft, welche sich 1985 gegründet hat, setzt sich dafür ein, seine Gedanken und Ideen aufrecht zu erhalten und sie auf aktuelle gesellschaftliche Probleme zu reflektieren. Lässt man sich auf seine Betrachtungen ein, werden einem schnell neue Sichtweisen offenbart. Gerade im Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen, hat der Humanist Fromm schon vor 50 Jahren davor gewarnt, wie zerstörerisch der Kapitalismus hier sein kann und auch ist. Im folgenden einige ausgewählte Passagen aus Fromms »die Kunst des Liebens«:
»Unsere Zivilisation bietet jedoch verschiedene Möglichkeiten, damit die Menschen dieser Einsamkeit bewusst nicht gewahr werden: in erster Linie die strenge Routine der bürokratisierten, mechanischen Arbeit, die dazu verhilft, dass die Menschen ihr grundlegendstes menschliches Verlangen, die Sehnsucht nach Transzendenz und Einheit, nicht bewusst erleben.«
»Was du mir gibst, gebe ich dir, lautet in der kapitalistischen Gesellschaft die vorherrschende ethische Maxime sowohl für Waren als auch für Liebe. man könnte sogar sagen, dass die Entwicklung einer Moral der Fairness der besondere ethische Beitrag der kapitalistischen Gesellschaft ist.«
»Wenn unsere gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Organisation darauf beruht, dass jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, wenn sie von dem Prinzip des Egoismus beherrscht wird, der nur durch die Moral der Fairness in Schranken gehalten wird — wie kann man dann innerhalb des Rahmens unserer bestehenden Gesellschaftsordnung überhaupt leben und gleichzeitig Liebe üben? Bedeutet denn das nicht, alle weltlichen Interessen aufzugeben und in völliger Armut zu leben?«
Laut Fromm ist es eben auch ein Unterschied ob man in »Liebe IST« oder sein »Liebe gefunden HAT« — gerade die Wortwahl untermauert Fromms Thesen. Wieviele Menschen dieser Gesellschaft sind bestrebt, »eine Beziehung HABEN zu wollen«? Alleine daran, dass man jede Seinsweise in die Haben-Struktur hievt, in der man nicht »liebend ist«, »Anteil nimmt«, sodern »Liebesgefühle HAT«, »Anteil haben will«, erkennt man das Wesen dieser Gesellschaft — eine Gesellschaft, die nicht nur im sozio-ökonomischen Bereich den Privatbesitz kennt, sondern in jeden Bereich des Miteinanders.