Kinderarmut schöngerechnet

Wie der 2. und 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung bestätigt auch der Kinderschutzbund, dass die Kinderarmut in Deutschland stark steigt. In den letzten fünf Jahren soll sie sich mehr als verdoppelt haben: In einem der reichsten Länder der Welt leben mehr als 2,6 Millionen Kinder in Armut, alleine 200.000 davon in Berlin. Im Zeitgeist der Finanzkrise und einer stark steigenden Arbeitslosigkeit wird sie auch 2009 nochmal drastisch zunehmen. Die Bundesregierung hat nun das passende Rezept dazu gefunden: ähnlich wie bei der Arbeitslosenstatistik werden unerwünschte Ergebnisse einfach aus der Statistik wegdefiniert.

Laut einem Bericht der »Blätter« (Ausgabe 109) setzt die Bundesregierung Kinderarmut mit Beziehern von Sozialleistungen gleich. Hierbei werden schonmal alle Kinder, deren Eltern nicht Bezieher von sozialen Leistungen, sprich ALG 2 erhalten, aber dennoch unter dem Existenzminimum leben, herausgerechnet. Hinzu kommt das seit dem 1. Oktober 2008 neue Gesetz des Kinderzuschlags. Diesen Zuschlag von monatlich 140 Euro erhalten Eltern die so wenig verdienen, dass sie nicht genug haben, um ein Existenzminimum für ihre Kinder aufbringen zu können. Bezieher von ALG 2 wird der Kinderzuschlag jedoch von der Regelleistung abgezogen. Also: entweder Kinderzuschlag oder Hartz4! Zusätzlich können arme Familen Wohngeld beantragen. Auch Wohngeld wird von der Regelleistung abgezogen.

Der Vorteil für die Bundesregierung: sie kann sich 2009 damit brüsten die Kinderarmut bekämpft zu haben, denn Kinderzuschlagsbezieher oder Wohngeldbezieher sind keine Bezieher von ALG 2‑Leistungen und werden insofern nicht in der Kinderarmuts-Statistik erfasst. Es ist eine Augenwischerei, denn mehr finanzielle Ressourcen steht den Bedürftigen eben nicht zur Verfügung. Ganz im Gegenteil: Bedürftige dürfen sich mit meheren Behörden gleichzeitig rumschlagen um ihre Grundsicherung zusammenzubekommen. Gleichzeitig fallen die Vergünstigungen von Hartz4-Beziehern, wie z.B. die Befreiung der Rundfunkgebührenpflicht, für sie weg.

Eine wirkliche Verbesserung der finanziellen Lage von Kindern die in Armut leben, wäre z.B. die Erhöhung des ALG 2‑Regelsatzes. Heute werden Kinder 211 Euro zugestanden, laut dem Verbandschef des Kinderschutzbundes Hilgers, wären jedoch für Heranwachsende altersabhängige 276 bzw. 325 Euro monatlich nötig, um die Grundbedürfnisse eines Kindes zu decken. Schlechte Bildungschancen, ein schlechter gesundheitlicher Zustand sowie der Ausschluss vom sozialen und kulturellen Leben, wie z.B. Klassenfahrten u.ä., sind die langfristigen Folgen der Kinderarmut in Deutschland.

 

4 Gedanken zu “Kinderarmut schöngerechnet

  1. Anzumerken sei auch, dass als erster Schritt, eine Anrechnungsfreiheit des Kindergeldes schon hilfreich wäre. Der Regelsatz für Kinder mag bei 211 Euro liegen, aber davon ist das Kindergeld abzuziehen. Davon spricht man aber in den Massenmedien wenig, im Gegenteil: Man rechnet vor, wie gut es ALG2-Beziehern geht, dabei kommen gigantische Summen heraus, die eine vierköpfige Familie erhält, weil unter anderem die 308 Euro nicht abgezogen werden.

  2. Warum werden eigentlich unterschiedliche Bedarfssätze für Kinder herangezogen?
    Muß ein geschiedenes Elternteil Unterhalt zahlen, so ist der Grundbedarf des Kindes höher als wenn die Eltern Hartz IV-Empfänger sind. Ist das nicht ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz?

  3. @gerhardq
    »... Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz?«

    Es ist ja geradezu der Sinn des Gesetzes (Hartz IV) Ungleichheit zu schaffen und dafür Sorge zu tragen das die bürgerliche Mitte dem zustimmt. Die Diffamierung der Zielpersonen dieses Gesetzes wurde über Jahre hinweg vorangetrieben.

  4. Pingback: Quasipresseschau 176 | NIGHTLINE

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