Um Missverständnissen vorzubeugen sei vorweg gesagt, dass es mich in diesem Beitrag nicht aufgrund der Besinnlichkeit des hinter uns liegenden Festes dazu bewegt hat über Weihnachtsfilme zu philosophieren (die sind eh eher selten interessant), sondern es ist vielmehr der Fall das die Feiertage Zeit bieten um mal wieder Filme zu schauen und dann auch noch die Welt mit einem entsprechenden Blogeintrag zu beglücken. Also habe ich mal den ein oder anderen Streifen den ich auf den ersten Blick an der Kinokasse verworfen habe eines zweiten Blickes gewürdigt und musste größtenteils feststellen, dass mein erster Eindruck oft zutreffend war. Einen etwas untergegangen Film der fast uneingeschränkt empfehlenswert ist habe ich dann doch bei dieser Gelegenheit gefunden:
In Bruges (Brügge sehen... und sterben?)
Mit »In Bruges« präsentiert Martin McDonagh seinen ersten abendfüllenden Film nachdem er bereits für seinen Kurzfilm »Six Shooter« mit einem Oscar versehen wurde. McDonaghs Wurzeln liegen allerdings im Schreiben fürs Theater und so verwundert es nicht das »In Bruges« sicher auch auf der Bühne gut funktionieren würde.
Die Londoner Auftragsmörder Ray (Colin Farrell) und Ken (Brendan Gleeson) müssen nach einem missglückten Job untertauchen und werden aus diesem Grunde von Ihrem Boss Harry (Ralph Fiennes) nach Brügge geschickt.
Während der rüpelhafte und oft kindische Ray dem mittelalterlichen und vergleichsweise provinziellem Flair der Stadt Nichts abgewinnen kann ist Ken entschlossen sich das volle touristische Programm nicht entgehen zu lassen. Ray nutzt diese Ausflüge derweil lieber um übergewichtige, amerikanische Touristen zu provozieren oder zelebriert einfach seine Teilnahmslosigkeit. Allerdings stellt sich heraus das hinter Rays Verweigerungshaltung auch ein schwer belastetes Gewissen steckt, er hat nämlich bei der unprofessionellen Durchführung des letzten Auftrages ein Kind tödlich verletzt und ist nun schwer depressiv. Tatsächlich stellt sich bald heraus, dass der äußerst unfreundliche aber prinzipientreue Harry diesen Fehltritt nicht tolerieren kann und der tatsächliche Grund für den Aufenhalt in Brügge wird Ken offenbar: Harry will das er Ray erledigt.
Ray ist allerdings bereits so fortgeschritten suizidgefährdet, dass Kens Eingreifen kaum mehr vonnöten ist. Ganz entgegen Harrys Intention verhindert Ken sogar Rays Selbstmordversuch und weigert sich den Auftrag auszuführen. Der äußerst garstige Harry begibt sich also nach Brügge um seinen ehemaligen Angestellten die Bedeutung von professioneller Arbeit persönlich zu demonstrieren.
Auch wenn »In Bruges« wenig verwunderlicherweise in Belgien spielt hat es alle Stärken einer exzellenten britischen Kömödie: Eine trockene, unaufgeregte Erzählweise, perfekt unterstützt vom Ambiente der Stadt gepaart mit dunklem Humor und hervorragend geschriebenen Dialogen. Unerwartet ist die großartige Leistung Farrells, der dem Charakter von Ray wirklich Glaubwürdigkeit verleiht. Ich denke meine Vorurteile gegenüber Colin Farrell waren der Hauptgrund warum ich diesem Film keine Chance im Kino gab. Allerdings soll das nicht die Leistung der anderen Darsteller mindern die bis in die Nebenrollen der Leistung Farrels in Nichts nachstehen.
Der Film lebt vom Kontrast der Großstadtgangster zu Ihrer Umgebung. Die Stadt repräsentiert perfekt die kleinbürgerliche Idylle die für die Protagonisten ein mehr oder minder weit entferntes Ideal darstellt. So braucht Ken all seine Courage um Harry die Gefolgschaft zu verweigern, da er in Ray das Potential sieht sich zu ändern. Die Personifizierung dieses Ideal wird durch die Nebenfigur Marie (Thekla Reuten) dargestellt. Sie ist die schwangere Mitbesitzerin des kleinen Hotels in dem Ray und Ken einchecken. Sie ist nicht nur sehr ausgeglichen und freundlich sondern in dem Respekt den Ihr all die zwielichtigen Gestalten entgegenbringen spiegelt sich deren eigenes Bedürfniss nach moralischer Stabilität. Wie an einem Lotus perlen an Ihr alle Versuche ab sie einzuschüchtern und keiner wagt die sonst so übliche Gewaltanwendung gegen sie auch nur in Betracht zu ziehen. Besonders deutlich wird das als sie Harry den Weg versperrt und dieser trotz Schusswaffe in der Hand kein Mittel sieht an Ihr vorbei zu kommen.
Ich denke »In Bruges« ist das Revival der Gangsterkomödie, welches wohl seit Guy Ritchies »Snatch« etwas brach lag, und vielleicht gleichzeitig dessen bester Vertreter. Vor allem die Besinnung auf eine im klassischen Sinne ästethische Erzählweise als Kontrast zu den Charakteren bringt dem Genre einen neuen Aspekt.
An den Feiertagen sah ich also »Brügge sehen... und sterben?« und war letztendlich nicht überzeugt. Freilich, es ist ein Schauspielerfilm, der ja auch bei den Golden Globes mit zwei Nominierungen bei den actors bedacht wurde, aber vorallem das Ende überzeugt wenig, scheint einfach nur schnell hininsziniert, damit die Filmcrew schneller in den Urlaub gehen konnte.
Farrell aber spielt großartig und wird wohl bei den Academy Awards mit einer Nominierung gewürdigt werden. Ob es bei Gleeson und Fiennes reicht, ist eher zweifelhaft. Die Dialoge und sie Szenarien sind teilweise originell, Farrell als durchgeknallter Charakter köstlich — aber das gewisse Etwas fehlt, auf den großen Knall wartete man umsonst. Selbst die finale Verfolgungsjagd durch Brügge hätte mehr Potenzial geboten. Und die dazwischengeschobene Liebesgeschichte bot zwar Stoff zum Lachen, aber inhaltlich war sie belanglos.
»In Bruges« ist ein Film, bei dem es nicht wehtut, wenn man ihn anschauen muß. Anregung zum Philosophieren, politische Botschaften oder dergleichen, bietet er nicht — aber er hat starke Momente, nur zu wenige davon, und das Ende ist ein äußerst schwacher Moment. Man kann den Film ansehen und Spaß haben... aber man vergißt ihn ebenso schnell wieder. Farrell wird ihn nicht vergessen, denn er wird durch ihn erstmals von der Academy berücksichtigt sein.
Ich durfte den Film sogar im Kino schauen, allerdings hätte er von den Temperaturen besser in die Weihnachtszeit gepasst. Ich kann euch beiden eigentlich nur zustimmen und leider schwinden schon die meisten Szenen aus meinem Gedächnis, aber obwohl das Ende im Gegensatz zu dem Rest des Filmes zu schnell ging, fande ich es schon sehr stimmig. Der große Knall war vielleicht der Kopf auf dem Asphalt^^
Ich konnte dagegen »Adams Äpfel« schauen und der dänische Humor ist auch sehr schräg... aber durchaus sehenswert.
Ach gerade gesehen, bei den Fünf Filmfreunden ist »In Bruges« sogar unter den Top 10
Also, ich kann den Ausführungen meiner Vorredner zum Ende des Films nicht ganz folgen. Ich fidne, das Ende ist konsequent und recht gut in Szene gesetzt. Der prinzipientreue Boss hatte im Film immerhin an anderer Stelle zuvor gesagt: »Würde mir das passieren, ich würde mir eine Kugel in den Kopf jagen«. Und dann passierte es ihm (auch wenn er vielleicht nicht erkennen konnte, ob er nun versehentlich ein Kind oder einen Zwerg erschossen hat) — und er zog die Konsequenzen.
Überhaupt ging es in dem Film genau darum: ich tue etwas, ich treffe eine Entscheidung, ich ziehe daraus die Konsequenzen und stehe dazu. Darum sind beinahe ausnahmslos alle Gestalten (ja, selbst der Boss) letztendlich symphatisch, weil sie sich nicht versuchen, zu drücken.
Daher finde ich den Film gut — und wieviel Tiefgang sollte man bei einem Thriller erwarten können? Für einen Thriller hat er doch gute Sub-Ebenen aufzuweisen.
Meine Meinung.