Die Schaffung von Männerklischees - am Beispiel des Filmes »Jerry Maguire«
»Wir leben in einer Zeit, in der über Frauen nichts Schlechtes und über Männer nichts Gutes gesagt werden darf«
Vgl. Arne Hoffmann. »Sind Frauen bessere Menschen?« Schwarzkopf Verlag 2001
Klischees über Klischees
Der Film handelt vom erfolgreichen Sportagenten »Jerry Maguire«. Durch ein Memo, in welchem er zu einem menschlicheren Umgang mit den Sportlern aufruft, wird er gefeuert. Nur der Footballer Rod und seine Buchhalterin Dorothy halten zu ihm. Zusammen mit ihnen versucht er wieder zu Erfolg und Ruhm zu gelangen, sein Yuppie Dasein abzulegen und ein besserer Mensch zu werden. Zum Footballer Rod baut sich eine Freundschaft auf und zu seiner Buchhalterin Dorothy eine Liebesbeziehung.
»Jerry Maguire« ist ein Film voller Klischees (festgefahrene überkommene Vorstellungen), US – konservativer Werte und mies geschriebenen Dialogen. Er ist beispielhaft, ja fast schon repräsentativ, wie gängige Vorurteile über Männer durch Liebes– und Romantikfilme produziert werden. Da dieses Filmgenre in der Regel eher Frauen als Männer anspricht, werden die Männer in diesen Filmen zielgerecht, d.h. den Vorstellungen der weiblichen Zuschauer entsprechend, inszeniert. Bedenklich ist für mich die Tatsache, dass viele dieser Vorstellungen jedoch schon lange in der westlichen Gesellschaft angekommen sind und sich keineswegs auf Film, Fernsehen und Literatur beschränken. Häufig werden Männerklischees, welche in den Medien präsentiert werden, im sozialen Leben übernommen. Welche gängigen Klischees und Vorurteile gegenüber Männern das sind, möchte ich im folgenden am Beispiel des Filmes »Jerry Maguire« aufzeigen.
Männer sind karrieregeil. Ein Mann muss Erfolg haben. Der Film beginnt relativ schnell mit dem Erfolgsdenken und der Karrieregeilheit der Männer. Denn Jerry wird nur aus materialistischer Erfolgssucht von seinem neuen Chef gekündigt, welcher im Rest des Filmes sein größter Konkurrent ist. Zudem ist er selbst davon getrieben erfolgreich zu sein, welches eines der beiden Handlungsstränge ist. Auch der Footballer Rod wird nur davon angetrieben, endlich das große Geld und Karriere zu machen. Der Zuschauer stellt das Leistungsdenken und den krampfhaften Ehrgeiz gar nicht in Frage, es ist vollkommen normal dass Man(n) heute erfolgreich ist und sein muss.
Männer sind oberflächlich. In »Jerry Maguire« wird Dorothy als eine Frau dargestellt, die nach den inneren Werten eines Menschen geht. Denn sie findet Jerry erst dann interessant, als er ein Memo verfasst hat, in welchem er einen humaneren Kurs der Firma vorschlägt. Also indem sie mitbekommt, dass Jerry auch ein Herz hat. Während Jerry als oberflächlicher Yuppie dargestellt wird, mit Anzug, Sonnenbrille und dickem Auto. Zudem hat Jerry zu Beginn des Filmes noch eine Freundin, mit der er offensichtlich nur zusammen war, weil sie attraktiv ist. Genau diese häufige Darstellung schafft das Klischee, dass Männer oberflächlich sein würden und Frauen emotional sind bzw. nach inneren Werten gehen würden. Oberflächlichkeit und Emotionalität haben jedoch nichts mit der Geschlechtszugehörigkeit, sondern mit einem Verhaltensmuster zu tun, welches bei Männern und Frauen gleichermaßen zu finden ist.
Hätte das Buch eine weibliche Hauptfigur, wäre es sofort frauenverachtend
Männer sind Idioten. Der Mann muss durch die Frau erzogen werden und eine Reifeentwicklung durchgehen. Auch eine sehr häufig angewandte Dramaturgie, besonders in Liebes- und Romantikfilmen, aber nicht nur dort. Der Mann als der Trottel, der Idiot und der ungehobelte Klotz. Er stellt sich blöd an, ist unsensibel und baut in der Regel nur Mist. Während die Frau als die zurückhaltende, gefühlvolle und moralisch Erhabene dargestellt wird. Beispiele für diese Darstellung in Film, Fernsehen und Literatur sind unzählig. Sie reichen von den »Simpsons«, bis »Spiderman« zu »High Fidelity«. Sympathisch sind die männlichen Hauptfiguren, nur dann, wenn es lustig ist wie sie sich anstellen. Und weil die Zuschauer es gewohnt sind, dass am Ende der Geschichte der Mann häufig zur Reife gelangt. Meist fungiert dann eine weibliche Figur als eine Art pädagogischen Wegweiser. Und durch ihre Weisheit bzw. Liebe kommt er am Ende der Geschichte meist auf den richtigen Pfad. So auch bei dem Film »Jerry Maguire«. Vermutlich bedient dieses Klischee den weiblichen Wunsch oder Drang den Mann er– und umerziehen zu wollen.
Männer sind schlechte Väter. Männer sind schlechte Väter, solange sie das Gegenteil bewiesen haben. Jeder Mann steht zunächst unter Generalverdacht, ein verantwortungsloser, gefühlloser und verständnisloser Vater zu sein. Er muss der Frau bzw. Mutter erst beweisen, dass er als Mann auch ein guter Vater sein kann. In »Jerry Maguire« gibt es etliche Szenen, wo Jerry sich liebevoll um den Sohn von Dorothy kümmert und sie ihm dabei freudestrahlend zuschaut. Diese Szenen werden dann mit entsprechender Musik emotional inszeniert. Entsprechende Szenen, in denen Dorothy beweist, wie liebevoll sie mit ihrem Sohn umgeht, gibt es hingegen nicht. Auch hier gibt es etliche Beispiele von Filmen,
Jerry beweist sich als guter Vater |
in denen der Mann sich erst als guter Vater beweisen muss. Jerry präsentiert sich quasi als Ausnahme, als Abseits der Norm der Männerwelt, indem er ihr zeigt, wie liebevoll er mit ihrem Sohn umgeht. Die Norm der Männerwelt hingegen ist dann der vermeintlich grobe, gewalttätige und gefühllose Vater. Denn wenn es Konsens unter den weiblichen Zuschauern gäbe, dass jeder Mann auch ein guter Vater sein kann, dann wären solche immer wieder gezeigten Szenen in Liebes– und Romantikfilmen, überflüssig. Ganz im Gegenteil halten gerade diese Szenen das weit verbreitete Vorurteil, der Grossteil aller Männer seien schlechte Väter, aufrecht.
Männer können nicht über ihre Gefühle reden. Gerade dieses Klischee ist schon längst in der westlichen Gesellschaft verankert, wird jedoch durch entsprechende Filme immer wieder produziert. Nicht Jerry, sondern Dorothy kommt auf ihn zu und beginnt das so heikle Gespräch, dass ihre Beziehung ja eigentlich keine wäre. Der scheinbare Dialog ist in Wahrheit gar keiner, denn in dieser Szene hat Jerry weder etwas zu sagen, noch etwas zu entscheiden. Das Gespräch ist insofern interessant, als es so beginnt, dass sie den Satz sagt:» Ich bin schuld«. Dann beginnt sie zu sagen, wo sie ihrer Meinung nach Verantwortung bzw. Schuld an der Misere der Beziehung hatte. Eine Frau, die auf einen Mann mit dem Satz »Ich bin schuld« zugeht, liegt mit allem was sie daraufhin sagt vollkommen richtig. Genau diese Erkenntnis wird in dieser Szene vermittelt. Nachdem sie dann nämlich ihre Schuld eingesteht – welche sie ganz alleine festgelegt hat – wirft sie ihm seine Schuld vor. Die Drehbuchschreiber lassen Dorothy vollkommen alleine entscheiden und festlegen, was sie falsch gemacht hat und was er falsch gemacht hat. Er darf in dieser und auch in späteren Szenen kein Wort dazu sagen. Ihm wird keine Möglichkeit gelassen, Selbsterkenntnis, Selbstkritik und Verständnis zu zeigen. Denn er ist ein Mann und wird diese Eigenschaften (wenn überhaupt), nach gängigen Klischees und Vorurteilen, erst durch die emotionale Reife und Liebe einer Frau erlangen. In diesem Falle heißt das, erst am Ende des Filmes.
Bei Alice Schwarzer sind Männer Täter und Frauen Opfer
Männer sind Schweine. Jeder Mann steht nicht nur unter Generalverdacht ein schlechter Vater zu sein, sondern auch ein schlechter Mensch zu sein – solange bis er das Gegenteil bewiesen hat. Männer wollen, laut Klischee, die Frauen nur ausnutzen, nur Sex von ihnen und denken nur an sich. Auch dieses Vorurteil wird im Film eindeutig vermittelt. Dorothys Schwester will Dorothy die ganze Zeit vor Jerry beschützen. Frauen müssen vor dem vermeintlich bösen und schlechten Mann eben beschützt werden. Selbst als Jerry und Dorothy geheiratet haben, sagt Dorothys Schwester in einer Szene zu Jerry: »Wenn du das vermasselst, bring ich dich um«. Dass Dorothy es auch vermasseln könnte, steht gar nicht zur Debatte. Sehr deutlich wird das auch in der feministischen Frauen – Selbsthilfegruppe, die sich regelmäßig in Dorothys Wohnung treffen. Alle haben sie schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht und schimpfen bzw. lästern nun ausgiebig über die männliche Gattung. Dass an einem Streit bzw. am scheitern einer Beziehung eigentlich immer Mann und Frau beteiligt sind, wird hier ausgeklammert. Selbstkritik ist hier Fehlanzeige. Männer sind Schweine also auch an allem Schuld, so das gängige Klischee, welches hier für die weiblichen Zuschauer produziert wird.
Um mich abschließend zu rechtfertigen bzw. zu verteidigen: natürlich gibt es auch gängige Frauenklischees. Diese werden jedoch bei weitem häufiger analysiert, untersucht und in Frage gestellt, als Männerklischees. Man(n) denke, z.B., nur an die derzeitige öffentliche Debatte beim Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen. An Frauenbeauftragte, Frauenquoten und Alice Schwarzer. Oder an das Thema der Gender Studies, welche im wissenschaftlichen Betrieb hauptsächlich den weiblichen Aspekt beleuchten und den männlichen vernachlässigen. Nach der Gender Theorie ist das Geschlecht nicht nur biologisch, sondern vor allem sozial konstruiert. Bestimmte Verhaltensweisen werden als typisch männlich und typisch weiblich bezeichnet. Klischees, Vorurteile, Mann – Frau Ratgeber Bücher und feministische Beziehungsideologen treiben eine Geschlechter Konstruierung voran. Entgegen radikaler Feministinnen ist die Erzeugung von Männerklischees nicht weniger bedenklich, wie die Aufrechterhaltung von traditionellen Frauenbildern. Denn auch Männerklischees sind sozial konstruiert und weder biologisch noch tragen sie zum besseren Verständnis von Männern und Frauen bei.
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